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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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räumte auf, und spielte dann auf der Zither, als wenn niemand zugegen wäre. Franz betrachtete den Alten mit Verwunderung, der indessen wie ein Kind in seinem Hause saß, und zu erkennen gab, wie wohl ihm in seiner kleinen Heimat sei, unter den befreundeten, wohlbekannten Tönen seines Instrumentes. Als er sein Spiel geendigt, packte er Kräuter, Moos und Steine aus seinen Taschen, und legte sie sorgfältig in kleine Schachteln zurecht, indem er jedes aufmerksam betrachtete. Über manches lächelte er, anderes schien er mit einiger Verwunderung anzuschauen, indem er die Hände zusammenschlug, oder ernsthaft den Kopf schüttelte. Immer noch sah er nach Sternbald nicht hin, bis dieser endlich in das kleine Haus trat, und ihm seinen Gruß anbot. Der alte Mann gab ihm die Hand, und nötigte ihn schweigend, sich niederzusetzen, indem er sich weder verwunderte, noch ihn als einen Fremden genauer beachtete.
    Die Hütte war mit mannigfaltigen Steinen aufgeputzt, Muscheln standen umher, durchmengt von seltsamen Kräutern, ausgestopften Tieren und Fischen, so daß das Ganze ein höchst abenteuerliches Ansehn erhielt. Stillschweigend holte der Alte unserm Freunde einige Früchte, die er ihm ebenfalls mit stummer Gebärde vorsetzte. Als Franz einige davon gegessen hatte, indem er immer den sonderbaren Menschen beobachtete, fing er mit diesen Worten das Gespräch an: »Ich habe mich schon seit lange darauf gefreut, Euch zu sehn, ich hoffe, Ihr zeigt mir auch einige von Euren Malereien, denn auf diese bin ich vorzüglich begierig, da ich mich selbst zur edlen Kunst bekenne.«
    »Seid Ihr ein Maler?« rief der Alte aus, »nun wahrlich, so freut es mich, Euch hier zu sehn, seit lange ist mir keiner begegnet. Aber Ihr seid noch sehr jung, Ihr habt wohl schwerlich schon den rechten Sinn für die große Kunst.«
    »Ich tue mein Mögliches«, antwortete Franz, »und will immer das Beste, aber ich fühle freilich wohl, daß das nicht zureicht.«
    »Es ist immer schon genug«, rief jener aus; »freilich ist es nur wenigen gegeben, das Wahrste und Höchste auszudrücken, eigentlich können wir alle uns ihm nur nähern, aber wir haben unsern Zweck gewißlich schon erreicht, wenn wir das wollen und erkennen, was der Allmächtige in uns hineingelegt hat. Wir können in dieser Welt nur wollen , nur in Vorsätzen leben, das eigentliche Handeln liegt jenseits, und besteht gewiß aus den eigentlichsten, wirklichsten Gedanken, da in dieser bunten Welt alles in allem liegt. So hat sich der großmächtige Schöpfer heimlicher- und kindlicherweise durch seine Natur unsern schwachen Sinnen offenbart, er ist es nicht selbst, der zu uns spricht, weil wir dermalen zu schwach sind, ihn zu verstehn; aber er winkt uns zu sich, und in jedem Moose, in jeglichem Gestein ist eine geheime Ziffer verborgen, die sich nie hinschreiben, nie völlig erraten läßt, die wir aber beständig wahrzunehmen glauben. Fast ebenso macht es der Künstler: wunderliche, fremde, unbekannte Lichter scheinen aus ihm heraus, und er läßt die zauberischen Strahlen durch die Kristalle der Kunst den übrigen Menschen entgegenspielen, damit sie nicht vor ihm erschrecken, sondern ihn auf ihre Weise verstehn und begreifen. Nun vollendet sich das Werk, und dem es offenbart ist liegt ein weites Land, eine unabsehliche Aussicht da, mit allem Menschenleben, mit himmlischem Glanz überleuchtet, und heimlich sind Blumen hineingewachsen, von denen der Künstler selber nicht weiß, die Gottes Finger hineinwirkte, und die uns mit ätherischem Zauber anduften und uns still den Künstler als einen Liebling Gottes verkündigen. Seht, so denke ich über die Natur und über die Kunst.«
    Franz erschrak vor sich selber, daß er aus dem Munde eines Mannes, den die übrigen Leute wahnsinnig nannten, seine eigensten Gedanken deutlich ausgesprochen hörte, so daß seine Ahndungen in anschaulichen Bildern vor ihm schwebten.
    »Wie willkommen ist mir dieser Ton!« rief er aus, »so habe ich mich denn nicht geirrt, wenn ich mit dem stillen Glauben hier anlangte, daß Ihr mir behülflich sein würdet, mich aus der Irre zurechtzufinden.«
    »Wir irren alle«, sagte der Alte, »wir müssen irren, und jenseit dem Irrtume liegt auch gewiß keine Wahrheit, beide stehn sich auch gewiß nicht entgegen, sondern sind nur Worte, die der Mensch in seiner Unbehülflichkeit dichtete, um etwas zu bezeichnen, was er gar nicht meinte. Versteht Ihr mich?«
    »Nicht so ganz«, sagte Sternbald.
    Der Alte fuhr fort: »Wenn ich

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