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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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nur malen, singen oder sprechen könnte, was mein eigentlichstes Selbst bewegt, dann wäre mir und auch den übrigen geholfen; aber mein Geist verschmäht die Worte und Zeichen, die sich ihm aufdrängen, und da er mit ihnen nicht hantieren kann, gebraucht er sie nur zum Spiel. So entsteht die Kunst, so ist das eigentliche Denken beschaffen.«
    Franz erinnerte sich, daß Dürer einst diesen Gedanken mit fast den nämlichen Worten ausgedrückt habe. Er fragte: »Was haltet Ihr denn nun für das Höchste, wohin der Mensch gelangen könne?«
    »Mit sich zufrieden sein«, rief der Alte, »mit allen Dingen zufrieden sein, denn alsdann verwandelt er sich und alles um sich her in ein himmlisches Kunstwerk, er läutert sich selbst mit dem Feuer der Gottheit.«
    »Können wir es dahin bringen?« fragte Franz.
    »Wir sollen es wollen«, fuhr jener fort, »und wir wollen es auch alle, nur daß vielen, ja den meisten, ihr eigner Geist auf dieser seltsamen Welt zu sehr verkümmert wird. Daraus entsteht, daß man so selten den andern, noch seltner sich selber innewird.«
    »Ich suche nach Euren Gemälden«, sagte Sternbald, »aber ich finde sie nicht; nach Euren Gesprächen über die Kunst darf ich etwas Großes erwarten.«
    »Das dürft Ihr nicht«, sagte der Alte mit einigem Verdruß, »denn ich bin nicht für die Kunst geboren, ich bin ein verunglückter Künstler, der seinen eigentlichen Beruf nicht angetroffen hat. Es ergreift manchen das Gelüste, und er macht sein Leben elend. Von Kindheit auf war es mein Bestreben, nur für die Kunst zu leben, aber sie hat sich unwillig von mir abgewendet, sie hat mich niemals für ihren Sohn erkannt, und wenn ich dennoch arbeitete, so geschah es gleichsam hinter ihrem Rücken.«

Er öffnete eine Tür, und führte den Maler in eine andere kleine Stube, die voller Gemälde hing. Die meisten waren Köpfe, einige Landschaften, die wenigsten Historien. Franz betrachtete sie mit vieler Aufmerksamkeit, indes der alte Mann schweigend einen alten Vogelbauer ausbesserte. In allen Bildern spiegelte sich ein ernstes, strenges Gemüt, die Züge waren bestimmt, die Zeichnung scharf, auf Nebendinge gar kein Fleiß gewendet, aber auf den Gesichtern schwebte ein Etwas, das den Blick zugleich anzog und zurückstieß, bei vielen sprach aus den Augen eine Heiterkeit, die man wohl grausam hätte nennen können, andre waren seltsamlich entzückt, und erschreckten durch ihre furchtbare Miene; Franz fühlte sich unbeschreiblich einsam, vollends wenn er aus dem kleinen Fenster über die Berge und Wälder hinübersah, wo er auf der fernen Ebene keinen Menschen, kein Haus unterscheiden konnte.
    Als Franz seine Betrachtung geendigt hatte, sagte der Alte: »Ich glaube, daß Ihr etwas Besondres an meinen Bildern finden mögt, denn ich habe sie alle in einer seltsamen Stimmung verfertigt. Ich mag nicht malen, wenn ich nicht deutlich und bestimmt vor mir sehe, was ich darstellen will. Wenn ich nun manchmal im Schein der Abendsonne vor meiner Hütte sitze, oder im frischen Morgen, der die Berge hinab, über die Fluren geht, dann rauschen oft die Bildnisse der Apostel, der heiligen Märtyrer hoch oben in den Bäumen, sie sehen mich mit allen ihren Mienen an, wenn ich zu ihnen bete, und fordern mich auf, sie abzuzeichnen. Dann greife ich nach den Farben, und mein bewegtes Gemüt, von der Inbrunst zu den hohen Männern, von der Liebe zur verflossenen Zeit ergriffen, schattet die Trefflichkeiten mit irdischen Farben hin, die in meinem Sinn, vor meinen Augen erglänzen.«
    »So seid Ihr ein glücklicher Mann«, sagte Franz, der über diese Rede erstaunte.
    »Der Künstler«, sagte der Alte, »sollte nach meinem Urteile niemals anders arbeiten; und was ist seine Begeisterung denn anders? Dem Maler muß alles wirklich sein; denn was ist es sonst, das er darstellen will? Sein Gemüt muß wie ein Strom bewegt sein, so daß sich seine innere Welt bis auf den tiefsten Grund erschüttert, dann ordnen sich aus der bunten Verwirrung die großen Gestalten, die er seinen Brüdern offenbart. Glaube mir, noch nie ist ein Künstler auf eine andre Art begeistert gewesen; man spricht von dieser Begeisterung so oft, als von einem natürlichen Dinge, aber sie ist durchaus unerklärlich, sie kömmt, sie geht, gleich dem ersten Frühlingslichte, das unvermutet aus den Wolken niederkömmt, und oft, ehe du es genießest, zurückgeflohen ist.«
    Franz sah den Alten verlegen an, er war ungewiß, ob Wahnsinn oder die Sprache der Begeisterung aus ihm

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