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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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gleich, ich trenne den Vogel von den übrigen, um ihn zu kennen und zu lieben, ich umgebe ihn mit einem Gefängnisse, um ihn mir so recht eigentlich abzusondern. Der Freund sondert den Freund von der ganzen übrigen Welt, und hält ihn in seinen ängstlichen Armen eingeschlossen; er läßt ihn nicht zurück, er soll nur für ihn so gut, so zärtlich, so liebevoll sein, die Eifersucht bewacht ihn vor jeder fremden Liebe, verlöre jener sich im Strudel der allgemeinen Welt, so wäre er auch dem Freunde verloren und abgestorben. – Sieh her, mein Sohn, er hat sein Futter nicht einmal verzehrt, so lieb ist es ihm gewesen, mich zu verlassen. Ich habe ihn so sorgfältig gepflegt, und doch ist ihm die Freiheit lieber.«
    »Ihr habt die Menschen gewißlich recht von Herzen geliebt!« rief Sternbald aus.
    »Nicht immer«, sagte jener, »die Tiere stehen uns näher, denn sie sind wie kindische Kinder, deren Liebe unterhalten sein will, weil sie ungewiß und unbegreiflich ist, mit den Menschen rechnen wir gern, und wenn wir Bezahlung wahrnehmen, vermissen wir schon die Liebe; gegen Tiere sind wir duldend, weil sie unsre Trefflichkeiten nicht bemerken können, und wir ihnen dadurch immer wieder gleichstehn; indem wir aber ihre dumpfe Existenz fühlen und einsehen, entsteht eine magische Freundschaft, aus Mitleiden, Zuneigung, ja, ich möchte sagen, aus Furcht gemischt, die sich durchaus nicht erklären läßt. Wollt Ihr mir folgen, junger Mensch, so will ich Euch kürzlich etwas von mir erzählen, damit Ihr begreift, wie ich hiehergeraten bin.«
    Sie verließen die Hütte und setzten sich in den Schatten eines alten Baumes, und der Maler fing darauf mit folgenden Worten an:
    »Ich bin in Italien geboren und heiße Anselm. Weiter kann ich Euch eben von meiner Jugend nichts sagen. Meine Eltern starben früh, und hinterließen mir ein kleines Vermögen, das mir zufiel, als ich mündig war. Meine Jugend war wie ein leichter Traum verflogen, keine Erinnerung war in meinem Gedächtnisse gehaftet, ich hatte nicht eine Erfahrung gemacht. Aber ich hatte die entflohene Zeit auf meine Art genossen, ich war immer zufrieden und vergnügt gewesen.
    Jetzt nahm ich mir vor, in das Leben einzutreten, und auch, wie andere, einen Platz auszufüllen, damit von mir die Rede sei, daß ich geachtet würde. Schon von meiner Kindheit hatte ich in mir einen großen Trieb zur Kunst gespürt, die Malerei war es, die meine Seele angezogen hatte, der Ruhm der damaligen Künstler begeisterte mich. Ich ging nach Perugia, weil dort Pietro in besonderem Rufe stand, und seine Bilder in ganz Italien gesucht wurden, ihm wollte ich mich in die Lehre geben. Aber bald ermüdete meine Geduld, ich lernte junge Leute kennen, deren ähnliche Gemütsart mich zu ihrem vertrauten Freunde machte. Wir waren lustig miteinander, wir sangen, wir tanzten und scherzten, an die Kunst ward wenig gedacht.«
    Franz fiel ihm in die Rede, indem er fragte: »Könnt Ihr Euch vielleicht erinnern, ob damals bei diesem Meister Pietro auch Raffael in der Lehre stand? Raffael Sanzio?«
    »Mir dünkt«, sagte der Alte, »es kam in der letzten Zeit, als ich dort war, ein unbedeutender Knabe dieses Namens zu ihm, und ich verwundre mich, daß Ihr den Namen so eigentlich wißt.«
    »Und ich erstaune über Eure Worte«, rief Sternbald aus. »So wißt Ihr es denn gar nicht, daß dieser Knabe seitdem der erste von allen Malern geworden ist? daß jedermann seinen Namen im Munde führt? Er ist seit einem Jahre gestorben, und alle Künstler in Europa trauern über seinen Verlust; wo Menschen wohnen, die die Kunst kennen, da ist auch er gekannt, denn noch keiner hat die Göttlichkeit der Malerei so tief ergründet.«

Anselm war eine Weile in sich gekehrt, dann brach er aus: »O wunderbare Vergangenheit! Wo ist all mein Bestreben geblieben, wie ist es gekommen, daß dieser mir Unbekannte meine innigsten Wünsche ergriffen und zu seinem Eigentume gemacht hat? Ja, ich habe wahrlich umsonst gelebt. Doch, es sei, weil es ist, ich will fortfahren, von mir zu sprechen.
    Damals schien die ganze Welt glänzend in mein junges Leben hinein, ich erblickte auf allen Wegen Freundschaft und Liebe. Unter den Mädchen, die ich kennenlernte, zog eine besonders meine ganze Aufmerksamkeit an sich, ich liebte sie innig, nach einigen Wochen war sie meine Gattin. Ich hemmte meine Freude und Entzückungen durch nichts, ein blendender, ungestörter Strom war mein Lebenslauf. In der Gesellschaft der Freunde und der Liebe, vom

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