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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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Wein erhitzt, war es mir oft, als wenn sich wunderbare Kräfte in meinem Innersten entwickelten, als beginne mit mir die Welt eine neue Epoche. In den Stunden, die mir die Freude übrigließ, legte ich mich wieder auf die Kunst, und es war zuweilen, als wenn vom Himmel herab goldene Strahlen in mein Herz hineinschienen, und alle meine Lebensgeister erläuterten und erfrischten. Dann drohte ich mir gleichsam mit ungebornen und unsterblichen Werken, die meine Hand noch ausführen sollte, ich sah auf die übrige Kunst, wie auf etwas Gemeines und Alltägliches hinab, ich wartete selber mit Sehnsucht auf die Malereien, durch die sich mein hoher Genius ankündigen würde. Diese Zeit war die glücklichste meines Lebens. Sie war die meines wildesten Wahnsinns.
    Indessen war mein kleines Vermögen aufgegangen. Meine Freunde wurden kälter, meine Freude erlosch, meine Gattin war krank und ihrer Entbindung nahe, und ich fing an, an meinem Kunsttalent zu zweifeln. Wie ein dürrer Herbstwind wehte es durch alle meine Empfindungen, wie ein Traum wurde mein frischer Geist von mir entrückt. Meine Not ward größer, ich suchte Hülfe bei meinen Freunden, die mich verließen, die sich bald ganz von mir entfremdeten. Ich hatte geglaubt, ihr Enthusiasmus würde nie erlöschen, es könne mir an Glück niemals mangeln, und nun sah ich mich plötzlich einsam. Ich erschrak, daß mir mein Streben als etwas Törichtes erschien, ja daß ich in meinem Innersten ahndete, ich hätte die Kunst niemals geliebt.
    Ach, wenn ich an jene drückenden Monate zurückdenke! Wie sich nun in meinem Herzen alles entwickelte, wie grausam sich die Wirklichkeit von meinen Phantasieen losarbeitete und trennte! Ich versuchte die schmählichsten Mittel, mir zu helfen, und fristete mich dadurch kaum von einem Tage zum andern hin. Nun fühlte ich das Treiben der Welt, nun lernte ich die Not kennen, die meine armen Brüder mit mir teilten. Vorher hatte ich die menschliche Tätigkeit, diese mitleidswürdige Arbeitseligkeit verachtet, mit Tränen in den Augen verehrte ich sie jetzt, ich schämte mich vor dem zerlumpten Tagelöhner, der im Schweiße seines Angesichtes sein tägliches Brot erwirbt, und nicht höher hinaus denkt, als wie er morgen von neuem beginnen will. Vorher hatte ich in der Welt die schönen Formen mit lachenden Augen aufgesucht und mir eingeprägt, jetzt sah ich im angespannten Pferde und Stiere nur die Sklaverei, die Dienstbarkeit, die den Landmann ernährte; ich sah neidisch in die kleinen schmutzigen Fenster der Hütten hinein, nicht mehr um seltsame poetische Ideen anzutreffen, sondern um den Hausstand und das Glück dieser Familien zu berechnen. Oh, ich errötete, wenn man das Wort Kunst aussprach, ich fühlte mich selbst unwürdig, und dasjenige, was mir vorher als das Göttlichste erschien, kam mir nun als ein müßiges, zeitverderbendes Spielwerk vor, als eine Anmaßung über die leidende und arbeitende Menschheit. Ich war meines Daseins überdrüssig.
    Einer meiner Freunde, der mir vielleicht geholfen hätte, war in ferne Lande weit weg verreist. Ich überließ mich der Verzweiflung. Meine Gattin starb im Wochenbette, das Kind war tot. Ich lag in der Kammer nebenan, und alles erlosch vor meinen Augen. Alles, was mich geliebt hatte, trat in einer fürchterlichen Gleichgültigkeit auf mich zu: alles, was ich für mein gehalten hatte, nahm wie Fremdling von mir auf immer Abschied.
    Die Gestalten der Welt, alles, was sich je in meinem Innern bewegt hatte, verwirrte sich verwildert durcheinander. Es war, als wenn ich mich verlor, und das Fremdeste, mir bis dahin Verhaßteste mein Selbst würde. So rang ich im Kampfe, und konnte nicht sterben, sondern verlor nur meine Vernunft. Ich wurde wahnsinnig, wie ich nachher gehört habe. Ich weiß nicht, wo ich mich herumtrieb, was mir damals begegnet ist. In einer kleinen Kapelle einige Meilen von hier fand ich zuerst mich und meine Besinnung wieder. Wie man aus einem Traume erwacht, und einen längst vergessenen Freund vor sich stehen sieht, so seltsam überrascht, so durch mich erschreckt, war ich selber.
    Seitdem wohne ich hier. Mein Gemüt ist dem Himmel gewidmet. Ich habe alles vergessen. Ich brauche wenig, und dies wenige besitze ich durch die Gutheit einiger Menschen.
    Jetzt, im ruhigen Alter«, fuhr er nach einigem Stillschweigen fort, »ist die Natur mein vorzüglichstes Studium. Ich finde allenthalben wunderbare Bedeutsamkeit und rätselhafte Winke. Jede Blume, jede Muschel erzählt mir eine

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