Franzen, Jonathan
an gutnachbarschaftliches Verhalten an, aber durch die Anschaffung
dreier neuer Katzen als Ersatz für ihren Bobby hatte sie ihr Blatt womöglich
überreizt, zumal einige unentschiedene Nachbarn meinten, er sei vielleicht
doch eines natürlichen Todes gestorben; es war der Eindruck entstanden, dass
sie ein wenig rachsüchtig gewesen war. Und so fuhr sie am Neujahrstag, wenn
auch ohne ihren Mann und ihre Kinder, mit ihrem Suburban zum Berglund'schen Haus hinüber und war über die Gastfreundschaft, die
Patty speziell ihr gegenüber an den Tag legte, geziemend verblüfft. Patty
machte sie mit ihrer Tochter und ihrem Sohn bekannt, um dann, nicht von ihrer
Seite weichend, mit ihr in den Garten und zum See hinunterzugehen und ihr den
Blick auf ihr eigenes Haus zu zeigen. Linda schwante, dass sie es hier mit
einer Expertin zu tun hatte, die sie um den Finger wickelte, ja dass sie von
Patty einiges darüber lernen konnte, wie man die Menschen für sich gewann;
schon jetzt, nach weniger als einem Monat, hatte Patty es geschafft, sich
selbst diejenigen Nachbarn gewogen zu machen, die ihre Türen nicht mehr ganz
öffneten, wenn Linda zu ihnen kam und sich beschwerte: die sie draußen in der
Kälte stehen ließen. Sie unternahm ein paar kühne Vorstöße, mit denen sie Patty
dazu verleiten wollte, einmal nicht so umgänglich zu sein, sondern ihre
liberalen Einstellungen preiszugeben - fragte sie etwa, ob auch sie so ein Vogelfan
sei («Nein, aber ich bin ein Walter-Fan, insofern verstehe ich es irgendwie»,
sagte Patty) und ob sie vielleicht vorhabe, einer der örtlichen
Kirchengemeinden beizutreten («Ich finde es großartig, dass hier so viele zur
Auswahl stehen», sagte Patty), bevor sie zu dem Schluss gelangte, dass ihre
Nachbarin für einen Frontalangriff eine zu gefährliche Gegnerin war. Wie um
Lindas Misserfolg die Krone aufzusetzen, hatte Patty ein aufwendiges, absolut
köstlich aussehendes Mahl zubereitet, von dem Linda sich, mit einem beinahe
angenehmen Gefühl der Niederlage, einen großen Teller vollhäufte.
«Linda»,
sagte Walter, der zu ihr getreten war, während sie sich noch etwas nachnahm.
«Vielen Dank, dass Sie gekommen sind.»
«Es war
nett von Ihrer Frau, mich einzuladen», sagte Linda.
Walter
hatte nach der Rückkehr seiner Frau anscheinend wieder angefangen, sich
regelmäßig zu rasieren - er war ganz rosig im Gesicht. «Wissen Sie», sagte er,
«es tat mir furchtbar leid, als ich hörte, dass Ihre Katze verschwunden war.»
«Wirklich?»,
sagte sie. «Ich dachte, Sie mochten Bobby nicht.»
«Das
stimmt. Er war eine Vögeltötungsmaschine. Aber ich weiß, dass Sie ihn geliebt
haben, und es ist schlimm, wenn man ein Haustier verliert.»
«Na ja,
wir haben ja jetzt drei neue.»
Er nickte
bedächtig. «Sie sollten allerdings versuchen, sie nach Möglichkeit drinnen zu
lassen. Da sind sie sicherer.»
«Mit
Verlaub - ist das eine Drohung?»
«Nein,
keine Drohung», sagte er. «Schlichtweg eine Tatsache. Kleine Tiere leben
gefährlich. Darf ich Ihnen noch etwas zu trinken bringen?»
An diesem
Tag, wie auch in den Monaten, die darauf folgten, war für alle offensichtlich,
dass Pattys wärmender Einfluss in allererster
Linie Walter selbst zugutekam. Anstatt mit seinem wütenden Prius an den
Nachbarn vorbeizurasen, hielt er jetzt an, ließ sein Fenster herunter und
grüßte. An den Wochenenden fand er sich mit Patty an der spiegelglatten
Eisfläche ein, auf der die Kinder der Nachbarschaft Eishockey spielten, und
brachte ihr Schlittschuhlaufen bei, was sie in bemerkenswert kurzer Zeit ziemlich
gut beherrschte. Wenn es zwischendurch mal taute, konnte man die beiden
Berglunds lange, gemeinsame Spaziergänge machen sehen, mitunter fast bis nach Fen City, und als im April das große Tauwetter einsetzte und Walter erneut
am Canterbridge Court von Tür zu Tür ging, tat er das nicht, um die Menschen
ihrer Katzen wegen zu beschimpfen, sondern um sie einzuladen, ihn und einen
befreundeten Wissenschaftler im Mai und Juni auf einer Reihe von Wanderungen zu
begleiten, auf denen sie das Naturerbe ihrer Gegend kennenlernen und die eine
oder andere der phantastischen Lebensformen, von denen die Wälder voll seien,
aus allernächster Nähe betrachten könnten. Linda Hoffbauer gab daraufhin auch
die letzten Reste ihres Widerstands gegen Patty auf, indem sie freimütig
einräumte, diese Frau wisse, wie man mit einem Ehemann umgehen müsse, und den
Nachbarn gefiel dieser neue Ton von Linda so gut, dass sie ihr die Türen
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