Franziskus, der neue Papst (German Edition)
könnte. Das Gelingen dagegen könnte Kräfte zur Erneuerung freisetzen – in diesem Zusammenhang sei noch einmal ein Zitat von Kardinal Léon-Joseph Suenens angeführt, der beim eingangs zitierten Interview gefragt wurde, ob ein Italiener der bessere Papst sei. Die Antwort ist deshalb so brisant, weil sie zur Situation vor dem Konklave 2013 passt. Nicht wenige hatten sich einen Pontifex gewünscht, der nicht aus der Kurie und am besten nicht aus Italien kommt. Andere wiederum hatten gerade die Nähe zum Vatikanapparat und die Herkunft vom Stiefel als Vorteil bezeichnet, da nur ein Kenner die Kurie in den Griff bekommen würde (und das, obwohl Benedikt XVI. mehr als zwanzig Jahre vor seiner Wahl in der Kurie war und dennoch keine Reform zu Stande gebracht hat): »Italiener oder nicht, worauf es ankommt, ist das Amt an sich, gesehen im Lichte des Zweiten Vatikanischen Konzils und der jetzigen Lage in Kirche und Welt. Die Frage der Nationalität eines Papstes scheint mir völlig zweitrangig. Jeder Papst ist notwendigerweise Bischof von Rom und oberster Hirte der Weltkirche. Als Bischof der Kirche von Rom muss jeder Papst aus dieser Kirche die Mutter und Wegweiserin aller Kirchen der Welt machen – › mater et caput omnium ecclesianum ‹ –, wie es auf der Stirnseite der Laterankirche, der Bischofskathedrale von Rom, steht. Die religiöse und pastorale Ausstrahlung Roms muss alle Blicke auf sich ziehen. Rom müsste Leuchte christlichen Lebens, Licht auf dem Scheffel sein. Das übernatürliche Ansehen der Kirche von Rom ist ein wichtiges Element, wenn der Papst, der Bischof von Rom, in seiner ganzen Anziehungskraft sichtbar werden soll. Alles, was in Rom selber an menschlicher Erbärmlichkeit oder an Missbräuchen vorhanden ist, wird dort mehr als anderswo zum Ärgernis für die Kirche.«
DAS STEHT AN: DIE AGENDA VON PAPST FRANZISKUS
G leich nach seiner Wahl hat Papst Franziskus einen Vorgeschmack erhalten, welche immense Kraft dieses Amt ihm abverlangen wird. Ansprachen und Predigten, die ersten Personalentscheidungen, viele Termine. Die Anfangs-Agenda ist voll und lässt dem neuen Oberhaupt der Kirche keine Gelegenheit, die Ereignisse zu verarbeiten. Wer der »Stellvertreter Christi auf Erden« ist, der kann nicht erst in seine Rolle hineinfinden.
Hektik und Stress haben im Prinzip begonnen, als Jorge Mario Bergoglio gefragt wurde, ob er die Wahl der Kardinäle akzeptiere, dies tat und seinen Papstnamen verkündete. Danach ging es schnell in den »Raum der Tränen«, die Papstgewänder mussten anprobiert werden. Anschließend die Ansprache auf der Benediktionsloggia, die ersten Worte des neuen Pontifex und damit der erste offizielle Auftritt. Die Ansprache, das Gebet und der Segen auf dem Balkon waren der Beginn des öffentlichen Wirkens des neuen Papst Franziskus und der Auftakt zu einer anstrengenden Terminhatz. Bereits am nächsten Morgen stand der Besuch in der Basilika Santa Maria Maggiore auf dem Programm, am Nachmittag die Messe mit den Kardinälen, die das offizielle Ende des Konklaves darstellt. So ging es weiter mit einer straffen Agenda: Treffen mit Medienvertretern, am Tag danach das erste Angelus-Gebet auf dem Petersplatz und ein Treffen mit Benedikt XVI. in Castel Gandolfo – eine historische Begegnung zweier Päpste. Kurz vor seiner Amtseinführung dann der Besuch durch Argentiniens Präsidentin Christina Fern á ndez de Kirchner, eigentlich eine Intimfeindin des neuen Papstes. Am Tag danach schließlich die feierliche Amtseinführung mit Staatsgästen aus aller Welt. Kurz nach seiner Wahl hat er sämtliche Leiter und die Mitglieder der Dikasterien der römischen Kurie in ihren Ämtern bestätigt. Allerdings vorerst nur übergangsweise, Franziskus wolle sich Zeit nehmen, um über diese wichtigen Personalentscheidungen nachzudenken.
Auch die folgenden Wochen werden es in sich haben. Nicht nur, dass der Heilige Vater organisatorische Dinge zu erledigen, logistische Probleme zu lösen und personelle Fragen zu entscheiden hat. In seine ersten Tage als Pontifex fällt auch die liturgisch wichtigste Zeit für mehr als eine Milliarde Menschen weltweit, die Kar- und Ostertage, mit dem Ostersonntag zum Abschluss. Am 24. März beging die katholische Kirche den Palmsonntag und damit den Auftakt der Karwoche. Für Franziskus seine erste »reguläre« Messe des Kirchenjahrs als Papst, nach den Initiations- und Inaugurationsfeiern. Tausende werden mit ihm auf dem Petersplatz Jesu Einzug in Jerusalem
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