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Frau des Windes - Roman

Frau des Windes - Roman

Titel: Frau des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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mit am Tisch. Auch mit Kati Horna, für die ich große Achtung empfinde, habe ich mehrere Gespräche geführt, sowie mit deren Tochter Nora, des weiteren sprach ich mit der schönen Alice Rahon, mit Gilberto Bosques, Gunther Gerszo, Fernando Gamboa, Malú Cabrera und Harry Block, mit Mathias Goeritz, Jesús Reyes Ferreira, Juan Soriano, Manuel Álvarez Bravo, Juan O’Gorman, Raoul und Carito Fournier sowie mit Inés Amor, Antonio Souza, Alejandro Jodorowsky, Renato Leduc und seiner Tochter Patricia, die mir einen Brief von Leonora an ihren Vater und zwei unveröffentlichte Fotografien anvertraute.
    In den letzten Jahren zog ich es vor, Leonora während meiner Besuche nicht mit direkten Fragen zu belästigen. Stattdessen erzählte ich ihr bei unseren Unterhaltungen, die sie stets mit der Bitte »Erzähl doch mal, was gibt’s Neues in der Politik« einleitete, vieles aus meiner eigenen Kindheit, von Klavier- und Ballettstunden, vom Benimmunterricht, Anekdoten, die ihr sogar den Namen ihrer französischen Gouvernante, Mademoiselle Varenne, ins Gedächtnis riefen oder den ihres Klavierlehrers, Mr. Richardson. »Erzählst du mir von einem deiner Liebesabenteuer?«, bat sie mich. Über ihre eigenen wollte sie nicht sprechen, und als ich sie einmal fragte, ob Max Ernst ihre große Liebe gewesen sei, antwortete sie: »Jede Liebe ist anders, lass uns nicht zu intim werden.« Worüber sie sehr wohl einen ganzen Nachmittag mit Grauen sprach, war ihr Zwangsaufenthalt in der Nervenklinik in Santander und die Behandlung, die sie dort erfuhr.
    Oft versicherte ich ihr, ich sei auf einem Pferd, einer Gans oder einem Drachen in die Calle Chihuahua gekommen, dann lachte sie. Manchmal erzählte ich ihr, ein Eulenmann oder ein Sternenschweif hätten mich durch die Avenida de los Insurgentes geleitet, die längste Straße der Stadt, worauf sie meinte: »Schauen wir uns deinen Sternenschweif mal an.« Wir gingen vor die Tür und sahen den Strom der Autoscheinwerfer vorbeifließen. Ihre magische Kraft verwandelte sie in alchemistische Symbole, und aus den Autofenstern flogen merkwürdige Figuren auf Papierdrachen davon.
    Eine Begegnung mit Leonora war für mich stets ein Privileg und eine Freude, da sie mich in meine Kindheit zurückversetzte, in mein Elternhaus, zu meinen Ursprüngen und in die Länder, die wir beide kannten. Sie war eine Frau, die einen verhexte. Es heißt, sie sei weiß, schwarz und rot gewesen; fest steht, dass Leonora mit sämtlichen Farben zu hexen vermochte und die schönste Zauberkünstlerin unserer Zeit war. Dreimal hat die Inquisition sie verbrannt, in England, Frankreich und Spanien. Sie aber ist jedes Mal noch reiner als zuvor aus dem Feuer gestiegen, zuletzt verwandelt in einen dünnen Stab aus Edelmetall. Denn sie war die Malerin, die am stärksten ihren Pinseln ähnelte. Manche Leute sagen sogar, sie habe mit den Wimpern gemalt.
    Ein Besuch bei ihr zu Hause war stets ein wundervolles Erlebnis, und ich schätze mich glücklich, einem Menschen und einer Künstlerin nah gewesen zu sein, in deren Welt ich gerne gelebt haben würde, einer Welt, die ich in der Kindheit kennengelernt, später indes auf den Pfaden des Journalismus verloren habe.
    In den letzten Jahren haben Leonora und ich uns zum Essen gern bei Sanborn’s getroffen oder im Café Tacuba, in der Casa Lamm oder in Chimalistac. Vor längerer Zeit waren wir einmal gemeinsam mit Joy Laville und Monsiváis bei Isaac Masri eingeladen, und Leonora sorgte für allgemeine Heiterkeit, als sie sagte, in uns allen stecke ein kleiner korrupter Präsident namens Salinas de Gortari.
    Monsiváis und ich begleiteten sie zu verschiedenen Hommagen in die UNAM , in den Sala Manuel M. Ponce de Bellas Artes, den Palacio de Minería, ins Museo José Luis Cuevas, ins Claustro de Sor Juana und sogar zum Präsidentensitz Los Pinos, wo ihr der Premio Nacional de Arte verliehen wurde.
    Leonora war es, die mein Buch Lilus Kikus illustrierte, und als ich ihr die Zeichnungen zurückgeben wollte, sagte sie lächelnd: »Behalt sie.« Heute hängen sie gerahmt im Hause meiner Tochter Paula in Mérida. Ein andermal, vor zwei Jahren, übergab Leonora mir die Skizzen, die sie und ihr Sohn Pablo zu meinem Buch Rondas de la Niña Mala angefertigt hatten. Ich glaube, dieses Buch war es, für das ihre letzten Zeichnungen entstanden.
    Von den zu Rate gezogenen Büchern war für meine Arbeit vor allem Villa Air-Bel, World War II , Escape and a House in Marseille unerlässlich, ein mit

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