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Frau Prinz pfeift nicht mehr

Titel: Frau Prinz pfeift nicht mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Scheib
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sind nicht da, die Moldens-Bagaasch auch nicht. Das müssen wir ausnutzen.«
    Hin und wieder traf sich dann eine kleine geriatrische Runde im Garten, die mit rostigen Stimmen Witze erzählte, über die
     sie dann scheppernd lachte. Später sangen sie Schunkellieder, in denen merkwürdigerweise immer der Rhein und die Nordseewellen
     vorkamen.
     
    Nun lag Frau Prinz in ihrem Vorgarten, für immer verstummt. Sie trug ihren knallroten Anorak und die Schirmmütze mit den Ohrenklappen.
     Eine seltsame Bekleidung für eine Leiche. Aber so war sie gewesen, ohne Rücksicht auf die Umwelt. Man sollte Toten |10| nichts Böses nachsagen, aber Frau Prinz hatte nicht nur akustisch, sondern zweifellos auch optisch zur Umweltverschmutzung
     beigetragen. Wenn sie in ihrer bedrohlichen Fülle in den Garten hinausgetreten war, schienen die Blätter der Bäume apathisch
     hinabzusinken, Kinder und Katzen drückten sich in die Büsche, sogar der Pudel von Frau Seifert verzog sich leise jaulend ins
     Haus. Alle Gärten wirkten trostlos, als hinge eine schwere Wolke über der Max-Ernst-Straße.
     
    Nun waren sie erlöst. Was für ein Tag! Frau Tinius mochte um keinen Preis von der Nummer 75 weichen. Sie fürchtete, aus diesem
     denkwürdigen Traum aufzuwachen und Frau Prinz würde sich zur Haustür hinauswälzen und wie alle Tage das Unkraut aus ihrem
     Vorgarten in den der Nachbarn hinüberwerfen. Aber nein, es war kein Traum, die Prinz lag immer noch auf den Steinen, immer
     noch tot. Frau Tinius würde sich zwar vom Tatort zurückziehen, wenn die Polizei das verlangte und auch die Schierl und die
     anderen vertrieb, aber weggehen |11| , einfach ins Haus hineingehen und nichts mehr mitkriegen von diesem wundersamen Tod der Frau Prinz, das wollte sie auf keinen
     Fall. Schließlich mußte sie doch erfahren, wie dieses Wunder geschehen war. Ein Unfall? Ein Mord? Schauer des Behagens durchfluteten
     Frau Tinius.
    Sie reckte ihre hohe, dürre Gestalt, machte großzügig dem Taxidoktor Platz, damit der auch an dem Drama teilhaben konnte.
     Der Taxidoktor hieß eigentlich Lersch, war ein praktischer Arzt, aber da er sich seit Jahren darauf beschränkte, nur noch
     Taxifahrer auf ihre Berufstauglichkeit zu untersuchen, hieß er Taxidoktor. Ehe Frau Tinius ihn in ihre Beobachtungen und Überlegungen
     einbeziehen konnte, kam auch schon der nächste Wagen vorgefahren, natürlich, das war die Mordkommission, das waren Beamte
     in Zivil, man hätte sie für Schauspieler halten können, »die sehen ja richtig gut aus, Frau Schierl, gucken Sie mal, da könnte
     man sich ja direkt verlieben. Schade, daß die Prinz das nicht mehr erlebt, die war ja so lange Witwe, und dann zwei so knackige
     junge Kommissare, jetzt, wo alles zu |12| spät ist.« Halb ohnmächtig aus Abscheu vor der Preußin, suchte Frau Schierl Trost in den Gesichtern der anderen Nachbarn,
     sie forschte in den Zügen des Taxidoktors.
    »Sie, Herr Doktor, von alleine sind die Steine doch nicht hinuntergefallen, was meinen Sie?«
    »Ich meine gar nichts«, sagte der Doktor schwer atmend. Er hatte Asthma, und wenn etwas Ungewöhnliches geschah, bekam er Probleme
     mit der Atmung. Jetzt inhalierte Doktor Lersch von seinem Taschenspray. Es war nicht klar, ober Frau Schierl zuhörte, die
     laut darüber nachdachte, daß unter den Dachdeckern des Hauses 77 so ein Dunkler gewesen sei. Zwar habe er ein Dirndltuch um
     die Stirn gewunden gehabt, Edelweißmuster, was sie ja schon unpassend finde für einen aus der tiefsten Türkei oder wer weiß
     woher, aber der sei ihr gleich unheimlich vorgekommen. Am Gerüst habe er das große Wort geführt, die wollten jetzt alle hier
     bestimmen, sogar deutsche Pässe wollten die.
    »Herr Doktor, wir Deutschen sind ja bald eine Minderheit, bald gibt’s ja nur |13| noch Gelbe und Schwarze, die machen Kinder wie die Karnickel, und bei uns erlauben die Sozis die Abtreibung – ich sag’, wie
     ich denke, mir kann nix mehr passiern, ich bin ja alt, ich erlebes nicht mehr, wenn die uns rausjagen aus unserem Land und
     uns massakrieren. Die ganze Ausländer-Bagaasch.«
     
    Der Taxidoktor atmete tief durch. Sein Spray wirkte rasch, eigentlich war Lersch immer homöopathisch orientiert gewesen, doch
     in der Not frißt der Teufel Fliegen. Und überhaupt war Lersch froh, zeitlich und nervlich aufwendige Patientinnen wie die
     Schierl los zu sein, seit er nur noch Taxifahrer behandelte. Die Schierl redete ja genauso einen Schmarrn daher wie manche
     der alten

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