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Frau Prinz pfeift nicht mehr

Titel: Frau Prinz pfeift nicht mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Scheib
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durch das gesamte Erdgeschoß, zeigte ihm den Flur und das Treppenhaus
     mit den Bildern der Ahnen, die Wohnräume, die Küche, und dann schobsie ihn in die kleine Loggia, den Anbau, von dem aus man
     in den Garten sah, |36| Bäume, Büsche, durch die alle Nachbarskatzen schlichen, schwarze, weiße, getigerte, im aufdämmernden Morgenlicht sahen sie
     wie kostbare Palastwächter aus.
    Nepomuk würde sie alle kennenlernen, und dieser Gedanke breitete sich warm und freundlich in Ingrid aus. Sie hörte plötzlich,
     daß es regnete, die Tropfen knallten immer, als trommle jemand auf der Dachrinne herum, Ingrid spürte zum erstenmal seit dem
     Tod der Mutter, daß ihr der Regen gefiel, der Garten, die Katzen, vor allem aber gefiel ihr Nepomuk.
     
    Nepomuk, den Ingrid zum Ärger der Stiefmutter bald Muck nannte, wuchs zu einem ziemlich unbotmäßigen Jungen heran, vor allem
     aber war er der Verbündete Ingrids gegen die Stiefmutter. Wenn es einem Menschen gelang, Brunhilde Prinz auf die Palme zu
     bringen und dort kreisen zu lassen, sie mundtot zu machen oder mit wenigen Worten aus dem Zimmer zu treiben, dann war das
     Muck. Ingrid war sicher, daß ihr Bruder den Eltern niemals verziehen hatte, daß sie ihn nicht nur eine Nacht, sondern |37| viele Nächte durchbrüllen ließen, hilflos in seinem juckenden, schuppenden Gehäuse. Muck würde ihnen diese Nächte heimzahlen,
     vor allem der Mutter. An ihr wäre es gewesen, ihn zu trösten, mit Puder zu versehen gegen den Juckreiz, ihm seine Fenistil-Tropfen
     zu geben. Aber nein. Dem Vater sah Muck schon eher seine egoistische Schlafsucht nach, schließlich mußte er jeden Tag zu Siemens,
     damit sie Geld hatten, die ständig fälligen Reparaturen am Haus zu bezahlen.
     
    Geld. Es schien Ingrid und später auch Muck, daß auf vorhandenes oder nicht vorhandenes Geld alles in ihrem Elternhaus hinauslief.
     Brunhilde Prinz jedenfalls teilte den Kindern jeden Tag mit, daß man kein Geld habe, um halbwegs anständig zu leben. Alles
     verschlängen die Steuern und das Haus. Das Elternhaus, das für die Kinder erhalten werden solle und für die darauf folgenden
     Generationen. Kleider für Ingrid und Muck wurden grundsätzlich aus den abgelegten Sachen der Eltern herausgeschneidert. Das
     besorgte eine Frau, die niemals |38| das Handwerk des Schneiderns gelernt hatte und deshalb einsah, daß sie nicht soviel Geld nehmen konnte für ihre Arbeit wie
     professionelle Näherinnen.
    Murrten die Geschwister, ergoß sich über sie eine Suada, die sie schon auswendig herbeten konnten, sie war das Lieblingsthema
     von Brunhilde Prinz, die zwanghaft darauf aus war, ihren krankhaften, durch keine Not gerechtfertigten Geiz zu begründen.
     Schließlich, so eiferte sie, hätten die Prinzens nicht das Glück, Gemüsetandler zu ihren Ahnen zu zählen wie die Schierl,
     die jetzt auf den Goldbarren sitze, die ihre Großeltern im Münchner Großmarkt errafft hätten. Die Schierl selber habe nie
     im Leben einen Pfennig selber verdient, wenn sie nicht so reich gewesen wäre, hätte sie nicht einmal einen Mann bekommen,
     schiach wie sie war. Beim Doktor Lersch sei es das gleiche gewesen. Von einem Onkel aus Meran habe er das dicke Geld geerbt,
     um sich sein Haus in der Max-Ernst-Straße zu kaufen. Möbelwagen, sage und schreibe drei Möbelwagen seien dahergekommen, voll
     mit den wertvollsten geschnitzten Antiquitäten, |39| die man sich vorstellen könne. Natürlich habe der Lersch nie die geringste Anstrengung machen müssen als Arzt. Seine Taxifahrer
     seien ins Haus gekommen, er habe sie ein bißchen abgehorcht, und dann seien sie wieder losgefahren, ihr Gesundheitszeugnis
     in der Tasche, und Lersch habe dafür vom Gesundheitsamt ein sattes Gehalt bekommen. Andere Patienten habe der nur im Notfall
     behandelt. Manchen Leuten gebe es der Herr eben im Schlafe. Genau wie der Tinius, dieser preußischen Nervensäge. Nur weil
     ihr Vater ein Kriegsgewinnler gewesen sei, Immobilienmakler habe sich der genannt, habe die Tinius das Glück gehabt, sich
     in so einer bevorzugten Lage wie Nymphenburg niederlassen zu können, wo sie mit ihrem kölnischen Großmaul hinpasse wie eine
     Faust aufs Auge, aber wirklich.
    Daß Brunhilde Prinz in ihr Haus auch nur hineingeheiratet hatte, war ihr nach dem biblischen Gesetz vom Balken im eigenen
     Auge und dem Splitter im Auge des anderen lebenslang nicht aufgefallen.
     
    |40| Als Mann und Sohn noch am Leben waren, konnte Brunhilde Prinz nicht derart

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