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Frau Schick macht blau

Frau Schick macht blau

Titel: Frau Schick macht blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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knarzt eine elektronische Frauenstimme. Nelly will nur die erste hören, die folgenden 21 sind von Jörg. Mit geschlossenen Augen lauscht sie einer quietschfidelen Frau Schick, die von Engeln – halt nein! – von einem Herrn Engels losplaudert, von einer Kolonie Waldfrieden bei Hürth und einem Sanierungskonzept, das Nellys vollen Einsatz erfordere. Frau Schick stellt ihr ein atemberaubendes Gehalt und eine Bonuszahlung in Aussicht, weil »neben der Schreibarbeit auch leichte gärtnerische Tätigkeiten und etwas Eselpflege anfallen«.
    Nelly spart sich den Rest der wirren Ansage, drückt das Diktat einer seltsamen Einkaufsliste weg und umklammert unschlüssig ihr Handy. Gärtnerarbeit und Tierpflege und dafür so viel Geld, hm, das klingt nicht mal schlecht.
    Sie seufzt. Sollte sie Frau Schick tatsächlich einschalten? Nein, jedenfalls nicht um diese Uhrzeit und solange ihr Kopf Karussell fährt. Am liebsten würde sie Herberger anrufen und sich trösten lassen. Der gleichmütige, gelassene, besonnene Herberger könnte das Karussell bestimmt anhalten. Sie schielt zu ihrem Nachttisch. Darauf liegt sein Bestseller Buddha für Anfänger , in dem er eindringlich schildert, wie man durch Meditation lernen kann, selbst schwierigste Situationen mit Gleichmut hinzunehmen.
    Ach, Herberger.
    »Nein, in keinem Fall rufst du Herberger an«, ermahnt sie sich streng. Ihm will sie als Letztem gestehen, wie lächerlich sie sich gestern gemacht hat. Noch dazu mit ihrem Exmann. Sie darf dem Schicksal dankbar sein, dass Herberger ganz weit weg auf Tahiti weilt und hoffentlich niemals und nirgends eine Aufnahme oder ein Video von ihrem unfreiwilligen Fehltritt zu Gesicht bekommt.
    Jörg ist ein Idiot, ein heimtückischer Mistkerl, ein … Sie würgt ihr Handy, schade dass es keine Pistole ist. Eine Walther P99, das wäre passend, damit erledigt James Bond seit Dr. No verlässlich alle Kontrahenten. Nur zu gerne würde sie jetzt auf Jörg anlegen. Aber das Handy kann nicht schießen, nur schon wieder klingeln.
    Genug ist genug! Nelly drückt mit hartem Daumen auf Empfang, hört ein heiser geräuspertes »Nelly, ich bin’s«.
    »Verschwinde aus meinem Leben!«, zischt sie in den Hörer. »Kapierst du’s nicht? Du bist der mit Abstand größte Idiot, der mir je im Leben begegnet ist.«
    Darin kann Herberger ihr am anderen Ende der nunmehr toten Leitung nur zustimmen. Ja, er ist ein Idiot.
    Ein Idiot, der in einem Vernehmungszimmer einem verdrießlichen Polizisten gegenübersitzt. Ein Idiot, der eine Nacht in der Arrestzelle einer Wache in einem Hürther Gewerbepark hinter sich hat – zwischen voll verkachelten Wänden und einer Toilettenschüssel, auf einer Pritsche mit nässedichtem Gummibezug und unter einem vergitterten Fenster, an dessen Kreuz ein Wunderbäumchen der Duftnote Vanille vergeblich gegen die Ausdünstungen einer Ausnüchterungszelle anstinkt.
    Er ist ein Idiot, der gehofft hat, dass Nelly ihm zumindest bei der Suche nach Frau Schick behilflich sein würde, die seit gestern Nacht nicht erreichbar, dafür aber die Einzige ist, die seine Festnahme als Auto-und Viehdieb rückgängig machen könnte.
    Der von Nelly grausam abgewürgte Notruf reicht, um sie ab sofort zu verabscheuen. Nein, zu viel der Ehre. Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit. Herberger nickt grimmig. Von wem hat er diese Weisheit noch mal? Oh, ach. Von Nelly. Verdammte Kalendersprüche, die braucht er auch nicht mehr.
    Was er braucht, ist eine Verbindung mit Frau Schick. Wo steckt dieser verrückte Drachen, der sein Leben inklusive seines Gefühlslebens in einen einzigen Schlamassel verwandelt hat? Langsam sorgt er sich – wenn auch widerwillig – ein wenig um die alte Dame. Es könnte ja sein, dass sie nicht nur ihn, sondern vor allem sich selbst in einen Schlamassel hineingeritten hat. Mit Zerberus und ihrem Weihnachtsmann.
    »Darf ich noch mal telefonieren?«, bittet er den Polizeibeamten, der ihm am Schreibtisch gegenübersitzt.
    Der Mann in Blau schüttelt sichtlich gestört den Kopf, weil er auf einer anderen Leitung einen spanischen Zirkusdirektor zum Thema Zerberus verhört. Parallel fahndet er in Internetwörterbüchern nach den passenden Vokabeln. Gerade probiert der wackere Beamte mit wachsender Verzweiflung spanische Wortschöpfungen für »Esel« durch. Sein Gesprächspartner scheint jedoch weder von einem asno, burro, burrito noch von einem niedlichen burriquito je gehört zu haben.
    »Hören Sie, Señor«,

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