Frau Schick macht blau
kommt ihr zuvor und drückt den Anruf weg. »Lass die Finger davon. Mein Handy gehört ab sofort wieder mir, und zwar mir allein, verstanden? Raus mit der Sprache: Was haben du und dein windiger Vater noch geplant?«
»Vor allem eine zwanzigprozentige Beteiligung an allen Einnahmen für dich«, kontert Becky und reckt zufrieden das Kinn. »Ricarda will Gut & Edel sogar auf 25 Prozent hochhandeln, schließlich geht es nicht nur um die dämlichen Unterhosen, sondern auch um Paps Memoiren. Dafür hat er bereits einen fünfstelligen Vorschuss kassiert, und TrueLove hat auf sechs Stellen aufgerundet, wenn sie ausführlich erwähnt werden. Macht insgesamt EINE MILLION EURO! Wegen des Synergieeffekts. Win-win, verstehst du? Die Unterhosen und Papas Karriere als Schauspieler und Sänger kriegen dank gemeinsamen Marketings einen entscheidenden Push.«
»MEMOIREN!« Nelly ist mit einem Satz aus dem Bett.
Becky springt ebenfalls wieder auf die Füße. Wie zwei asiatische Kampfhähne stehen sie sich vor der Bettkante gegenüber. Nelly mit gesträubtem Lockenkopf, die trotzige Becky auf Krawall gebürstet.
»Mama, das ist ein Riesending. Das Buch wird ebenfalls Bad boys need true love heißen. Aufs Cover kommt das neue Wäscheplakat mit Papa oder deine Ohrfeige. Die passt auch prima. Rottländer will sie im Fotostudio noch mal mit euch nachstellen. Da darfst du ein Dutzend Mal zuhauen. Am Ende vom Buch müsst ihr allerdings zusammenkommen. Wenigstens vorübergehend. Was hältst du übrigens von einem Duett von Tru e lov e? Könnte sein, dass der Song knallt. Wir engagieren für dich eine Ghostsängerin und …«
»Zusammenkommen!« , stößt Nelly fassungslos aus und tastet haltsuchend hinter sich und ins Leere. »Mein Gott, Becky! Wie kommst du auf eine derartig abgedrehte Idee? Hast du wieder mal Erich Kästner gelesen?«
»Mama, ich bin doch kein doppeltes Lottchen!« Becky schüttelt entnervt den Kopf. »Papa und du sollt das Happy End nur spielen! Was meinst du, was das für Interview- und Publicitymöglichkeiten ergibt. Vor allem, wenn Papa echt beim nächsten Bond-Film mitspielt. Als Bösewicht. Dafür nehmen die ja gern Deutsche, und Papa ist bereits angefragt. Das ist deine Chance auf die längst fällige Profitbeteiligung. Du hast Papa immerhin mal seine Schauspielausbildung finanziert, oder? Jetzt ist Zahltag!«
Nelly plumpst von einem Schwindelanfall überwältigt zurück aufs Bett und stöhnt. »Becky, ich will von diesem Unsinn nichts mehr hören. Geh sofort in dein Zimmer.«
»Was soll ich denn da?«
»Wie wäre es mit aufräumen?«
»Hab ich schon.«
»Dann mach es wieder durcheinander, nur lass mich bitte, bitte allein, ich muss nachdenken.« Maulend schlurft Becky aus dem Schlafzimmer.
Nellys Kopf gleicht einem Rummelplatz am ersten Sommerferientag. Ein Königreich gäbe sie für ein landwirtschaftliches Nutzfahrzeug mit besonders kniffliger Gebrauchsanweisung und für einen Abend still, einsam und allein an ihrem Schreibtisch! Sich mit nichts beschäftigen als 26 lautlosen Buchstaben und drei spanischen Sonderzeichen. Gott, war sie all die Jahre glücklich mit Frontzapfwellen, Schwingungstilgungen und Ladeluftkühlung!
Sie will nie, nie mehr aufstehen. Jedenfalls nicht, bevor sie einen Ausweg aus diesem Wirrwarr gefunden hat, das sich derzeit ihr Leben nennt. Wenn sie an die hysterischen Leute am gestrigen Abend denkt, an das Gedränge aller möglichen It-Girls, Fast-Nackttänzer und Fans, an Rottländers Gratulationen und Jörgs Reuiger-Sünder-Miene, mit der er Klatschkolumnisten seine ewige Liebe zu Nelly in den Block log, wird ihr übel. Sie will hier weg. Nur weg. Und keinesfalls ein Bestandteil von Jörgs Memoiren sein.
Moment mal!, schießt es ihr durch den Kopf, Memoiren, Memoiren, woran erinnert sie das bloß? Aber natürlich, an Frau Schick! Die hat ihr doch neben diversen anderen Jobs angeboten, für sie ihre Memoiren aufzuschreiben.
Die Jobs hat Nelly bisher allesamt ausgeschlagen, weil Frau Schicks Aufträge fantasievoll getarnte Wohltätigkeitsaktionen sind und sie sich wie eine Erbschleicherin vorkäme, wenn sie absurde Honorare von einer alten Dame nähme, die neuerdings Gespenster in Kleiderschränken sieht. Darüber kann sie doch unmöglich gegen Geld schreiben! Und was sollte die gestern spätabends eingegangene Mailboxnachricht über dringende Korrespondenzarbeiten und Schrebergärten?
Zögernd gibt sie die Nummer für die Nachrichtenabfrage ein. »22 alte Nachrichten«,
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