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Frau Schick macht blau

Frau Schick macht blau

Titel: Frau Schick macht blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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der Knirps bislang nun wahrlich nicht gezeigt.
    »Ab heute sieben Jahre alt«, freut sich der Kripobeamte endlich. »Na dann herzlichen Glückwunsch, junger Mann. Könntest du jetzt trotzdem bitte mal die liebe Oma Schick an den Apparat holen?«
    Anscheinend nicht, stellt Herberger dank des nächsten Gesprächsbeitrags des Polizisten fest.
    »Nein, Niklas, ich habe eigentlich nicht nur angerufen, um dir zu deinem Geburtstag zu gratulieren.«
    Der auch bestimmt nicht heute ist, mutmaßt Herberger. Niklas weiß trotzdem einiges davon zu berichten und ist gegen Unterbrechungsversuche weitere zwei Minuten immun.
    »Niklas, NIKLAS!«, kann sich der Ermittlungsbeamte endlich dazwischenschalten. »Hör mal, das klingt alles sehr schön, und ich freue mich wirklich für dich, und … ja … Ja. Bestimmt … Ein Esel ist ein sehr schönes Geburtstagsgeschenk … aber könntest du jetzt mal kurz von diesem Zebulon absteigen und … Nein, ich möchte nicht Happy Birthday mit dir singen.«
    Niklas schon und das mit instrumentaler Begleitung. Nach kurzer Gesprächspause quietscht und sägt sich ein atonales Geigensolo durch den Hörer.
    »Das … das machst du wirklich schön«, bemüht sich der Polizist um eine Beendigung des Ständchens. Aber da man zum Geigen beide Hände braucht und nicht gleichzeitig telefonieren kann, muss er drei Strophen erdulden, bevor er die Befragung fortsetzen kann.
    Herberger beginnt zu ahnen, woher der Wind weht. Auf der Violine ist Niklas kein Virtuose, im Erfinden von Märchen und Ablenkungsmanövern zur Rettung von Eseln und Behinderung polizeilicher Nachfragen schon.
    »Niklas«, bettelt der Polizist in den Hörer. »Kannst du mir jetzt bitte Oma Schick an den Apparat holen?«
    Herberger richtet sich gespannt im Stuhl auf. Niklas scheint den Hörer wieder abgelegt zu haben.
    Der Beamte hat Zeit für einen Vorwurf in seine Richtung. »Das mit dem Geschenk hätten Sie mir ruhig früher verraten können! Ich bin doch kein Unmensch, der Kleine ist ja völlig aus dem Häuschen vor Glück.«
    »Ich habe Ihnen von Anfang an gesagt, dass der Esel zu verschenken war.«
    »Aber nicht, dass es sich um eine Geburtstagsüberraschung für den Kurzen handelt! Meine Güte kann das Kerlchen sich freuen, richtig ansteckend, hab selber zwei von der Sorte und …« Er unterbricht sich.
    Niklas ist offenbar zurück und macht Meldung.
    »Ach, sie schläft noch.«
    Und wo, bitte schön?, fragt sich Herberger.
    »Könntest du deine Oma vielleicht wecken?«, fragt hingegen der Polizist im Tonfall des geduldigen Kinderfreundes. »Wir haben hier nämlich einen Herrn Herberger … äh … zu Gast, ich meine einen Herrn Gast, der behauptet, ihr Auto geliehen zu haben.« Pause und misstrauischer Blick Richtung Herberger.
    Der erhebt sich drohend vom Stuhl. »Halten Sie den Kleinen da raus. So etwas bespricht man nun wirklich nicht mit Kindern«, warnt er. Was sollte Niklas denn auch bitte dazu sagen können?
    Wie es scheint, eine Menge.
    »Frau Schick ist nicht deine leibliche Oma? Sag mal, Niklas, wer bist du dann überhaupt?«
    Ein Hut-, Reitgerten- und Handydieb, der sich bei Bedarf in eine Quasselstrippe verwandeln und das Blaue vom Himmel herunterzirpen kann, wenn es darum geht, Zerberus vor einem Abtransport zu retten. So viel ist Herberger klar. Aber warum zum Teufel holt Niklas nicht Frau Schick an den Apparat? Sie wäre bei Gott die Letzte, die seine Flunkereien aufdecken würde!
    Oha, was passiert denn gerade mit dem Vernehmungsbeamten? Sein Gesicht nimmt erkennbar weiche Züge an. Es scheint, als funktioniere Niklas’ Elfenblicktaktik sogar fernmündlich.
    »Da hast du recht, mein Junge. Deine richtige Oma hat es im Himmel bestimmt sehr schön. Ja, auch wenn sie nicht zu deinem Geburtstag kommen kann.«
    Niklas scheint am anderen Ende gehörig auf die Tränendrüse zu drücken.
    »Deine Mama wohnt auch im Himmel?«
    Die Miene des Beamten wechselt, während er weiter in den Hörer lauscht, von Verlegenheit zu tief empfundenem Mitgefühl. Zuletzt muss er seine Kehle frei räuspern. »Ja, was soll ich da sagen, mein Junge, das ist wirklich tapfer, dass du nicht weinen möchtest. Das darfst du aber, hörst du? Sag mal, du bekommst doch sicher heute noch ganz viel Besuch, und deinen Papa gibt es doch auch noch … Nein? … Wegen mir? … Ach so ist das … Na gut, aber nur ausnahmsweise und weil du Geburtstag hast!«
    Der Beamte nimmt den Hörer vom Ohr und reicht ihn mit bedrückter Miene über den Schreibtisch.

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