Frau Schick räumt auf
erneut mit den Schultern. »Das müssen Sie auch nicht. In einer Stunde ist unsere Bekanntschaft ohnehin beendet.«
»Was soll das wieder heißen?«
»Ganz einfach: Ich reise ab.«
»Wohin?«
»Das geht Sie – mit Verlaub – nichts mehr an.«
»Sie fahren ohne meine Erlaubnis nicht einfach in der Weltgeschichte herum!«
»Frau Schick, ich habe gestern gekündigt.«
»Dann zahle ich Ihnen keinen Pfennig!«
Herberger lächelt kurz. »Sie werden mir fehlen, Frau Schick. Ja, Sie werden mir tatsächlich fehlen. Ihr Geld nicht. Ich verdiene mit meiner üblichen Profession mehr als genug, und auf meinem Schreibtisch türmen sich die Aufträge und Vorarbeiten zu einem Film über Paul Gaugin und die Südsee.«
»Welche Idioten wollen denn in die Südsee? Die ist schon als Fototapete eine Zumutung!«
»Darf ich mich zu Ihnen setzen?«
Frau Schick schaut verärgert auf. Bettina. »Nein«, sagt sie scharf.
Herberger erhebt sich von seinem Stuhl. »Selbstverständlich dürfen Sie. Mein Platz wird gerade frei.«
»Herberger, das ist ein Arbeitsfrühstück!«
Herberger zieht ein Zigarettenpäckchen aus der Hemdtasche und wirft seine benutzte Serviette achtlos neben seine Kaffeetasse. »Auf Wiedersehen, die Damen, oder besser: Adiós. Ich wünsche Ihnen eine weiterhin auf- und anregende Reise.« Dann verlässt er ohne weitere Erklärungen Tisch und Speisesaal.
Bettina schlüpft auf den Stuhl gegenüber von Frau Schick. »Was ist denn mit seinem Bart passiert?«, fragt sie flüsternd.
Während der Speisesaal sich füllt, gibt Frau Schick ihr eine kurze Erklärung. Bevor sie mit Bettina erörtern kann, wie sie Herberger zum Bleiben bewegen könnte, erscheint Nelly.
Gut gelaunt tritt Nelly an den Tisch ihrer Arbeitgeberin. »Guten Morgen, Frau Schick. Stellen Sie sich vor, mein Gepäck ist zurück, samt Papieren und Kreditkarten.«
»Ach«, ärgert sich Frau Schick. »Es ist gar nichts verschwunden?«
»Nichts.« Den hinzugekommenen Opal verschweigt Nelly lieber. Der geht niemanden etwas an. »Gleich beim nächsten Bankautomaten kann ich Geld abheben, um diese Reise hier zu bezahlen und Ihnen alle Auslagen zu erstatten. Und den Job, den brauche ich eigentlich auch nicht mehr.« Nelly schluckt, denn eigentlich braucht sie ihn natürlich doch.
»Schnickschnack!«, wischt Frau Schick das Angebot vom Tisch. »Es ist höchste Zeit, dass Sie kommen. Ich habe jede Menge zu tun für Sie und verstehe nur Bahnhof! Was bedeutet zum Beispiel ›Gurgeln im Internet‹?«
Nelly reißt die Augen auf. »Gurgeln im Internet.« Dann muss sie lachen. »Ach so. Sie meinen googeln!«
»Was auch immer … Ich meine … Können Sie das?«
Nelly nickt. »Das kann jeder. Ich kann es Ihnen gern zeigen.«
»Nein danke. Das werden Sie heute Abend im nächsten Hotel für mich erledigen. Ich muss alles über einen gewissen Eckehart Gast erfahren. Die Bibelstunden haben Zeit, bis ich weitere Briefe von meiner toten Freundin erhalte.«
Nelly schwirrt der Kopf. Wenn Ricarda das hören könnte. Briefe von toten Freundinnen und Bibelstunden! Da sind ihre eigenen Froschteicherlebnisse mit Jesus ja gar nichts dagegen. Sie nimmt dankbar den Kaffee entgegen, den Bettina ihr fürsorglich eingeschenkt hat.
»Können Sie auch Jaguar fahren?«, fragt Bettina vorsichtig.
Nelly verschluckt sich beinahe am Kaffee. »Ich? Aber dafür hat Frau Schick doch ihren Chauffeur.«
»Bettina«, geht Frau Schick verärgert dazwischen. »Nelly muss nicht fahren, sondern wandern. Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass ich Herberger die Kündigung durchgehen lasse.«
»Aber er ist doch bereits fort.«
»Na, weit kann er nicht kommen.« Frau Schick zieht Herbergers Zimmerschlüssel unter dem Tischtuch und von ihrem Schoß hervor. »Die habe ich eben vorsorglich an mich genommen. Lässt der seine Schlüssel einfach neben dem Teller liegen und deckt sie dann auch noch mit der Serviette ab. Ist gerade mal knapp über fünfzig und schon tüddelig. Wenn der achtzig wird, läuft er wahrscheinlich ohne Schuhe aus dem Haus.« Sie kichert.
An einem Tisch beim Buffet klopft Paolo mit der Gabel an ein Glas und sagt: »Guck mal.« Dann hält er eine Wanderkarte hoch und bittet um Ruhe, um die vor ihnen liegende Etappe und die geplanten Bus- und Besichtigungsstopps zu erläutern. Er kommt bis kurz vor die Grenze zwischen Navarra und dem Rioja, dann stoppt ihn der Busfahrer ab, der wild gestikulierend in den Saal eilt. Er zieht Paolo am Ärmel seines T-Shirts nach
Weitere Kostenlose Bücher