Frau Schick räumt auf
bekommen einen fiebrigen Glanz. »Dieser ist nicht ganz rein, die Brillanz liegt bei drei, maximal vier, aber sein flashfire ist bemerkenswert.« Abrupt beendet er sein Fingerspiel und drückt Nelly den Stein in die Hand. Er atmet tief ein. »Verdammtes Zeug.« Er schüttelt den Kopf. »Verdammtes Zeug«, widerholt er und räuspert sich. »Mich geht’s nichts an, aber wer auch immer Ihnen so etwas einfach vor die Tür legt, muss einen gewaltigen Dachschaden haben.«
»Könnte Frau Schick …«
»Nein. So verrückt ist sie nicht. Außerdem hat sie selber bereits einen solchen Knicker, wie sie es nennt, erhalten.«
Nelly betrachtet verwirrt den Stein in ihrer Hand. »Ihr hat er auch einen Opal geschenkt?«
»Keinen Opal, nur einen Zitronenchrysopras. Nicht mehr als ein Kiesel, verglichen mit einem Opal. Aber wen meinen Sie mit Er?«
»Niemanden. Ich gehe jetzt lieber zurück in mein Zimmer. Ich möchte das Gepäck kontrollieren. Sie wissen wirklich nicht, wer es im Hotel abgegeben hat?«
Herberger stößt die Hände in die Hosentaschen und schüttelt den Kopf. Dann dreht er sich wortlos um und verschwindet über den Patio in den gegenüberliegenden Gästetrakt.
Nelly trägt erst den Stein, dann das Gepäck in ihr Zimmer. Kaum hat sie Salsa Fun auf ihr Bett gehievt, möchte sie sich daneben legen und toter Mann spielen. Der Wandertag, die Koffer, der Stein – das ist einfach zu viel des Guten.
Nein, ist es nicht.
Sie greift zum Telefon, wählt eine Nummer, bestellt sich auf Spanisch ein Abendessen und – auf den Schreck – ein Glas Wein. Im nächsten Moment besinnt sie sich und ändert die Bestellung auf ein Glas Cava. Der belebt, und es gibt schließlich etwas zu feiern: die Rückkehr von Salsa Fun. Sie wird ihn sofort auspacken. Vielleicht findet sie ja irgendwo eine Erklärung, eine Nachricht. Nelly lässt die Schlösser aufschnappen, durchwühlt Wäsche, T-Shirts und Jeans und findet doch nichts außer ihrem gesamten verloren geglaubten Besitz einschließlich Kreditkarten und Geld in ihrem Rucksack. Javier ist kein Dieb. So viel steht fest.
Sie lässt sich auf das Bett sinken. Sogar eine Quittung über die ordnungsgemäße Rückgabe des Mietwagens liegt bei. Mit seiner Unterschrift.
Javier Tosantos. Abgegeben hat er den Wagen in … Nelly stutzt. In Tosantos. Gehört dem Mann etwa eine ganze Stadt? Und wo zum Teufel liegt die? Sie braucht jetzt dringend einen Schluck Cava.
Wenig später bringt ein Angestellter den Cava und ein fantastisches Essen auf fantastischem Geschirr. Alles ist und schmeckt so gut, dass sich Nelly nach dem Genuss des letzten Schlucks Cava und einer perfekten Crema Catalana der ebenso fantastische Gedanke aufdrängt, dass der Opal eine Entschuldigung sein könnte. Javiers Entschuldigung.
Omnia vincit amor. Der Satz stammt von Vergil und war immerhin einer der beliebtesten Wahlsprüche mittelalterlicher Ritter und Minnesänger. Das würde zu Javier passen. Zumindest zum Javier ihrer Träume.
Nelly, mahnt sich eine todmüde Nelly, nicht schon wieder. Nie wieder! Und damit gute Nacht.
Sie schläft mit Salsa Fun im Arm und dem Rucksack unter ihrem Kopf ein. Sie schläft so fest, dass sie das Klingeln ihres Telefons kurz vor Mitternacht nicht hört.
30.
Frisch gebügelt, frisch gestriegelt, frisch gekämmt, aber auch elend müde – so fühlt sich Frau Schick auf ihrem Weg durch den morgenstillen Patio zum Frühstückssaal. Darum hat sie ihre Wanderstöcke mitgenommen. Der bedeckte Himmel passt zu ihrer bedeckten Laune. Sie hat heute keinen Blick für die Hängeampeln voll purpurfarbener Bougainvillea, die in einer kühlen Morgenbrise schwanken. Quijote tappt erwartungsfroh an Frau Schicks Seite über den Hof. Wenigstens einer, der ihr auf’s Wort gehorcht. Trotzdem scheucht sie ihn in Richtung von Bettinas Tür davon. »Die braucht einen wie dich, ich doch nicht.«
Was Frau Schick bräuchte, wäre eine halbe Stunde mehr Schlaf. Sie kann nämlich seit der Nacht in Burguete wieder ganz hervorragend fest und tief schlafen, bis weit nach Sonnenaufgang. Aber was nützt das, wenn man mit ständig neuen Herausforderungen und ungehorsamen Angestellten zu kämpfen hat. Erst die Sache mit dem Grüßaugust, und nun das! Weder Nelly noch Herberger sind gestern zum Essen erschienen. So geht das nicht, schon gar nicht bei den Gehältern, die sie ihnen zahlt, von den Vergünstigungen wie Wandertagen und Übernachtungen in Luxushotels einmal ganz zu schweigen.
Auch davon abgesehen war es
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