Frau Schick räumt auf
probiert Frau Schick ihren neuen Spanischtrick. Und – oh Wunder – das Mädchen nickt und schenkt schwarzen, haargenau richtig duftenden Kaffee in Frau Schicks Tasse. Sie nimmt genüsslich einen Schluck und fühlt sich bereit, ihr Verhör fortzusetzen. Herberger bestreicht schon wieder sehr entspannt eine Toastscheibe mit Butter. Trotz seines deformierten Narbenkinns sieht er nicht wirklich kriminell aus, der olle Lorbass, wie die Schemutat gesagt hätte.
»Also, Herr Wolfhart …«
»Eckehart!«
Frau Schick schüttelt den Kopf und greift ebenfalls nach Toast und Orangenmarmelade. »Nein, der Name gefällt mir nicht. Eckehart fühlt sich in meinem Mund wie ein steinhartes Karamellbonbon an. Da beiß ich mir nur die Zähne dran aus. Gast klingt auch verkehrt. Bleiben wir bei Herberger und Wolfhart.«
Eckehart nickt seufzend. »Von mir aus.« In knapp einer Stunde ist Frau Schick für ihn ohnehin Geschichte, dann fährt ein Linienbus Richtung Burgos. Bis dahin darf sie ihn nennen, wie sie will.
»Dann wäre das geklärt. Aber wer sind Sie nun tatsächlich? Und warum reisen Sie mit einem falschen Vollbart?«
»Der Bart war echt«, weicht Herberger aus.
»Warum ist der dann ab?«
»Er hat seine Schuldigkeit getan. Oder hätten Sie einen Mann mit so einem, pardon, Verbrechergesicht wie meinem eingestellt?«
»Mit Vergnügen!« Frau Schick beißt herzhaft in ihren Toast.
Herberger schüttelt lächelnd den Kopf. »Sie vielleicht. Aber nicht Ihr Sekretär.«
»Der hat eine viel dümmere Visage als Sie und sitzt sogar in meinem Vorzimmer«, kontert Frau Schick. Wenn auch nicht mehr lange, denkt sie. »Herr Pottkämper ist übrigens ein ganz elender Eierdieb. Stellen Sie sich vor, er will mich für verrückt und geschäftsuntüchtig erklären lassen, aber Bettina und ich machen ihm einen Strich durch die Rechnung.« Sie lauert auf seine Reaktion.
Herberger schenkt ihr ein aufmunterndes Lächeln. »Der Grüßaugust tut mir jetzt schon leid. Sehr leid.« Das klingt ganz und gar nicht danach, als habe Herberger etwas mit dem Grüßaugust zu tun.
Als Herberger gelassen eine Ecke von seinem Toast beißt und kaut, hat Frau Schick Gelegenheit, sein nacktes Gesicht zu studieren. Die Narben müssen zwar von einer schrecklichen Verletzung herrühren, verleihen dem beilartigen Kinn und dem ganzen Mann aber etwas anziehend Verwegenes. Es ist schon ein wenig ungerecht, dass Männer durch hässliche Narben, Falten oder Akne-Spuren attraktiver werden, dies für Frauen aber leider nicht in gleichem Maße gilt. »Der Bart wäre damit erklärt, aber warum haben Sie einen falschen Namen angegeben?«, hakt sie nach.
Herberger tupft sich mit der Serviette die Toastkrümel aus den Mundwinkeln. »Vor einigen Jahren habe ich mich aus privaten Gründen von der Geologie verabschiedet und …«
»Privat?«
»Privat«, sagt Herberger mit Nachdruck. Bevor Frau Schick an dieser Stelle weiterbohren kann, fährt er fort: »Seither schreibe ich Reiseführer und recht erfolgreiche Drehbücher für große Reisereportagen. Sie können mich googeln, im Internet findet sich einiges über mich und von mir. Es gibt auch eine ausführliche Homepage, inklusive Bildmaterial und Autorenfotos.«
»Ich verlasse mich lieber auf meine Menschenkenntnis, Herberger«, sagt Frau Schick hoheitsvoll. »Und auf meinen Instinkt. Der sagt mir, dass mehr hinter Ihrem Vollbart und dem falschen Namen stecken muss. Also?«
»Natürlich steckt mehr dahinter. Ich wollte nicht erkannt werden.«
»Von wem?«
Herberger greift betont langsam zu einem Glas Orangensaft und nimmt schweigend einige Schlucke, bevor er antwortet. »Von Ihnen oder anderen Mitreisenden. Es wäre möglich, dass ein Mitglied unserer Gruppe meine Reiseführer über den Jakobsweg und damit ein Bild vom Autor – also mir – kennt.«
»Na und?«
Herberger seufzt. »Frau Schick, ich wollte unerkannt und als Ihr Chauffeur mitreisen, um eine ungeschminkte Testreportage über Luxusreisen auf dem Camino zu schreiben, über das Angebot, die Führungen, die Hotels und die ausgewählten Wanderetappen. Ich bin in der Reisebranche kein Unbekannter.«
»Das ist aber eine reichlich dünne, um nicht zu sagen dumme Ausrede, Herr Doktor.«
Herberger zuckt mit den Schultern und schenkt Frau Schick einen Kaffee nach. »Restaurantkritiker treten auch gern inkognito in Erscheinung. Meine Leser wollen objektive Berichte. Ich tarne mich häufig.«
»Ich glaube Ihnen kein Wort, Sie Hallodri!«
Herberger zuckt
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