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Frau Schick räumt auf

Frau Schick räumt auf

Titel: Frau Schick räumt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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sich dröhnendes Stimmengewirr. Der Hotelchef scheint eigens gekommen zu sein, um Paolos Wandergruppe gebührend zu verabschieden. Ein Hund bellt, und der Patron ruft erfreut den Namen »Bettina«.
    Bettina antwortet ebenso erfreut mit einem schwungvollen italienischen » Buon giorno« .
    Herberger lacht aufgeräumt und zündet sich eine Zigarette an.
    Nelly wendet sich entnervt ab. Warum hat der plötzlich so bemerkenswert gute Laune? Dem Hotelchef in der Halle scheint der sprachliche Schnitzer auch nichts auszumachen. Kein Wunder, er spricht mit unverkennbar baskischem Akzent und ist sicherlich kein Verfechter des reinen Spanisch. Hildegard hingegen korrigiert Bettina und macht dann selbst einen ganz bösen Fehler: Sie fragt den Hotelchef, ob er eigentlich Baske oder Spanier sei.
    »Ach, du meine Güte«, brummt Herberger amüsiert.
    Auch Nelly ahnt, was aus dem Mund des Finca-Besitzers jetzt unweigerlich folgen wird. Ein Ausflug in die Anfänge der Geschichte des Baskenlandes – oder Euskadiens, wie es von seinen Bewohnern gern genannt wird. Und das unter Aufzählung aller baskischen Ahnen und Urahnen. Das kann dauern. Offenbar ist jeder Baske derart stolz auf seine sich in mystischer Ferne verlierende Herkunft, dass er – wie Tucholsky auf seiner Pyrenäenreise notiert hat – sogar einem Grafen, der mit seiner alten Abstammung prahlt, entgegenschleudern würde: »Wir Basken sind so alt, wir stammen überhaupt nicht ab.«
    Der Hotelchef stellt lauthals seine Großmutter vor, die sage und schreibe zehn Kinder, fünfzehn Enkel und zwei Urenkel ihr Eigen nenne und noch immer jeden Abend in der Küche stehe, um ihre berühmte Kichererbsensuppe zu kochen, deren Geheimnis sie zu seinem Bedauern eisern für sich bewahre. Die Großmutter zählt die Vornamen ihrer Nachkommen auf und bedauert ausführlich, dass es nicht längst mehr Urenkel sind. »Die jungen Paare schauen abends zu viel fern«, mutmaßt die alte Dame über die Gründe der bescheidenen Geburtenrate. Paolo übersetzt ins Deutsche, spart allerdings – wie Nelly bemerkt – gnädig einen großmütterlichen Seitenhieb in Richtung ihres Enkels, des Hotelchefs, aus: »Bring endlich eine Frau ins Haus, dann bekommt sie mein Suppenrezept. Du machst ja doch nur dumme Experimente damit.«
    »Hoffentlich weilt die Urgroßmutter nicht auch noch unter den Lebenden, dann kommen wir hier nie weg«, flachst Herberger und pustet Rauchringe über Nellys Schulter. »Na, Hildegard hat diese Strafe redlich verdient.«
    Nelly denkt an ihre baskische Begegnung im Flugzeug. Nichts wie weg hier! Auf überbordendes Geplapper hat sie keine Lust. Und auf Herbergers Gesellschaft erst recht nicht.
    Sie beschließt, schon einmal vorauszugehen, und stapft den knirschenden Kiesweg hinab in die Platanenallee. Nach zehn Minuten erreicht sie ein asphaltiertes Sträßchen, das linker Hand talabwärts führt und rechter Hand ins Dorf hinauf. Und wo ist der Camino? Ihre Augen finden einen grauen Markierungsstein mit gelber Muschel auf blauem Grund. Der Kamm der Muschel weist nach rechts zum Dorf hinauf, ihre Spitze strebt dem Tal entgegen. Was genau bedeutet das?
    Nelly schaut unsicher zu den Bodegas Viabadel zurück. Paolo ist noch nicht in Sicht. Der Jaguar allerdings biegt gerade in die hinter ihr liegende Platanenallee ein, schaukelt bedächtig auf sie zu und hält dann kurz neben ihr an. Im Fond sitzen Ernst-Theodor und Hildegard. Frau Schick thront auf dem Beifahrersitz. Sie stößt energisch die Tür auf.
    »Frau Schick«, mahnt Herberger, während die alte Dame ihre Wanderstöcke sortiert. »Sie können hier nicht aussteigen! Nun nehmen Sie doch endlich Vernunft an. Der Weg ist viel zu lang und anstrengend für Sie.«
    »Unsinn, ich hab doch Nelly, und Sie können uns ja zwischendrin mal auf dem Handy anrufen.«
    Herberger seufzt. »Frau Schick, der nächste größere Ort ist Los Arcos. Bis dahin sind es elf Kilometer, dafür bräuchten Sie mindestens zwei bis zweieinhalb Stunden.«
    »Na«, sagt Frau Schick, stößt die Stöcke in den Kies und stemmt sich mit Nellys Hilfe aus dem Beifahrersitz in die Höhe. »Dann haben Sie ja Zeit, um Hildegard und Ernst-Theodor ein paar Kirchen zu erklären und hernach einmal in Los Arcos nach mir, Hermann und Martha zu schauen.«
    »Haben Sie wenigstens Wasser dabei?«, fragt Herberger resigniert.
    »Unser Engel Bettina trägt die Flaschen«, entgegnet Frau Schick, wirft die Autotür zu und winkt zum Abschied.
    Zögernd fährt Herberger

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