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Frau Schick räumt auf

Frau Schick räumt auf

Titel: Frau Schick räumt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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mit dem Schiff nicht einfach über den Horizont kippt. Der Reichsapfel der Kaiser symbolisierte ebenfalls die runde Welt. Es waren die Forscher und Entdecker der Renaissance, die die Legende in die Welt gesetzt haben, ihre direkten Vorfahren hätten samt und sonders an eine Scheibenwelt geglaubt. Sie wollten sich von der ›Zeit des Unwissens‹ abgrenzen, die sie übrigens als Erste überhaupt als ›dunkel‹ und als ›das Mittelalter‹ bezeichneten. Das sogenannte Mittelalter kannte kein Mittelalter, und die Menschen selbst erlebten ihre Lebenswelt schätzungsweise so düster und so hell, so leidvoll und so beglückend wie die Menschen vor und nach ihnen.«
    »Faszinierend.« Ernst-Theodor hebt begeistert den Zeigefinger.
    »E. T. trifft Mr. Spock«, murmelt Nelly, woraufhin Bettina Lindenblütentee über den Tisch prustet.
    Die Strafe folgt auf dem Fuße. Ernst-Theodor und Hildegard beschließen, von Los Arcos aus mit Nelly, Bettina und Paolo weiterzuwandern. Herberger besteht darauf, die durchnässte Frau Schick samt Martha und Hermann bis Viana vorauszufahren.
    »Ich bin doch nicht aus Zucker«, mault Frau Schick. »Ich schaff noch locker ein paar Kilometer.«
    »Aber ich nicht«, kontert Herberger mit einem verstohlenen Seitenblick auf Hildegard und Ernst-Theodor, »und ein Jaguar ist kein Pendelbus.«

33.
    Pilgern, denkt Nelly nach drei Kilometern zwischen Hildegard und Ernst-Theodor, ist wahrhaftig keine Schönwetter-Angelegenheit. Dabei hat der Regen aufgehört und die Hügellandschaft ist bezaubernd wie in der Toskana. Leider füllen Hildegard und Ernst-Theodor die herrlich menschenleere Landschaft mit pausenlosem Geschwätz über ihre morgendlichen Camino-Erlebnisse mit Dr. habil Eckehart Gast. Was für ein verlogener Charmeur der ist! Der ist auch vor nichts und niemand fies, denkt Nelly.
    Leider hat Bettina sich vor zehn Minuten zurückfallen lassen, weil ihr Handy geklingelt hat. Nelly wirft einen hilfesuchenden Blick über die Schulter und sieht, dass sie wild gestikulierend unter einem Baum steht. Quijote sitzt mit gespitzten Ohren daneben.
    »Wer auf den Jakobsweg ein Handy mitnimmt, ist selbst schuld, wenn er angerufen wird«, befindet Hildegard. »Hier will man sich doch besinnen, zur Ruhe finden und …«
    Nelly konzentriert sich auf die Landschaft. Schlehenhecken, Haselnusssträucher und rot glühende Hagebutten säumen den Weg durch vereinsamte Felder und – nach zwei weiteren Kilometern – Baustellen. Unzählige Baustellen.
    Hildegard nimmt sie der gesamten Menschheit und insbesondere dem spanischen Teil persönlich übel und hat ein neues Thema für einen Vortrag. Dabei sind die meisten Baustellen so überschaubar wie ein Reihenhausgarten. Sie bestehen aus nicht mehr als einer frisch ausgeschachteten Grube oder kleinen Fundamenten, Schotter- oder Steinhaufen und gigantisch großen Schildern mit EU-Emblemen, die das Bauvorhaben – hier ein Pilgerbrunnen, dort ein kleiner Streifen Wegbefestigung – erläutern. Hildegard empört sich dennoch über den Lärm der Bagger und das gelegentliche Wummern eines Rüttlers. »Das ist doch Geldverschwendung und macht alles kaputt! Erst dieses scheußliche Gewerbegebiet von Los Arcos und jetzt das.«
    Paolo entschuldigt sich für die Serie von Baustellen, muss aber Hildegards Vortrag über unverantwortliche Störungen des Landschaftsbildes dennoch über sich ergehen lassen. Er erträgt es stumm, nur sein Mund zuckt gequält.
    Nelly lenkt sich mit der Begutachtung der Baufahrzeuge ab und kann Hildegard und Ernst-Theodor schließlich mit begeisterten Vorträgen über moderne Motorentechnik von sich weglangweilen. Sie ist den Baustellen zutiefst dankbar.
    Endlich schließen Bettina und Quijote wieder zu Nelly auf. Gleichzeitig legt Hildegard vor ihr noch einen Schritt zu. »Jetzt haben wir die Baustellen endlich hinter uns und nun dieses Hundegekläff. Das fehlt mir gerade noch!«, sagt sie spitz.
    »Quijote ist doch ganz ruhig«, wirft Bettina knurrend ein.
    »Ernst-Theodor, kommst du? Wir sind schließlich nicht zum Spazierengehen hier, das können wir zuhause auch.«
    Ernst-Theodor kommt.
    »Dann lassen wir unsere beiden Leistungsträger mal voranmarschieren«, spottet Bettina.
    Nelly kichert. »Leistungsträger« ist gut – vor allem, weil die beiden Nervensägen Rucksäcke schultern, die mit Utensilien für eine Polarexpedition bestückt zu sein scheinen.
    Hildegard und Ernst-Theodor nehmen nun Paolo in die Zange, und Nelly kann sehen, dass die

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