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Frau Schick räumt auf

Frau Schick räumt auf

Titel: Frau Schick räumt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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beiden schon wieder energisch auf ihn einreden.
    »Unser sanfter Kelte kann einem wirklich leidtun«, seufzt Bettina.
    »Welcher Kelte?«
    »So nenne ich Paolo, er kommt doch aus Galizien, einem Hort alter keltischer Traditionen.«
    »Ich finde, er sieht aus wie Jesus«, erwidert Nelly verwundert.
    »Mag sein, aber das gibt Hildegard noch lange nicht das Recht, ihn mit Worten zu kreuzigen.«
    Bettina liest einen Stock auf und schleudert ihn kraftvoll nach vorn. Quijote rast mit fliegenden Ohren und Jagdgebell davon. Als Hildegard sieht, wer da auf sie zurennt, verfällt sie in Eiltempo und schließlich in Laufschritt. Es hilft ihr nicht, denn Quijote findet offensichtlich, dass Nachlaufen ein noch viel lustigeres Spiel als Apportieren ist. Vor allem, wenn man abwechselnd eine zeternde zaundürre Frau und einen keuchenden Professor jagen kann. Paolo lässt sich reichlich Zeit, bevor er den Hund mit einem Wettrennen von Hildegard und Ernst-Theodor ablenkt.
    »Ich bin mir sicher, dass die beiden in Deutschland das Märchen von den wilden Menschenfresserhunden am Jakobsweg wieder aufblühen lassen«, sagt Bettina.
    Nelly staunt, wie boshaft und amüsant Bettina sein kann. So kennt sie sie noch gar nicht. »Schade, dass Frau Schick das gerade nicht gesehen hat, sie hätte ihre helle Freude daran«, lobt sie Bettina.
    Bettina nickt. »Das denke ich auch. Und sie hat jede Aufmunterung verdient.«
    Schweigend gehen sie weiter.
    »Unsere rebellische Frau Schick«, beginnt Bettina schließlich erneut, »ist leider weit verwundbarer und hilfsbedürftiger, als sie glaubt.«
    »Ich weiß«, sagt Nelly und denkt an ihr Erlebnis am Morgen und an Frau Schicks scheuen Händedruck.
    Bettina zögert einen Moment, dann scheint sie einen Entschluss zu fassen. »Aber sie selbst weiß es nicht, Nelly. Sie ahnt nicht einmal, wie schlimm die Dinge für sie stehen.«
    Erschrocken bleibt Nelly stehen. Für einen Moment ist es totenstill. »Sie meinen«, stammelt sie schließlich, »ich meine … Herrje! Ist sie ernsthaft krank, wird sie bald …« Das ist ein Satz, den sie nicht beenden kann und will.
    »Sterben? Nein, das ist es nicht.« Zu Nellys unendlicher Erleichterung schüttelt Bettina heftig den Kopf. »Sie ist gesund, erstaunlich gesund und rüstig für ihr Alter, soweit ich das beurteilen kann. Aber die Geschichte mit ihrem Sekretär, dem Grüßaugust, wie sie sagt, ist weniger harmlos, als die alte Dame annimmt.«
    »Dann ist Frau Schick also … hm … doch nicht ganz richtig im Kopf? Ich meine durcheinander oder so?«
    »Ach was, sie ist nur eigen und hat einen herben Verlust zu betrauern, das ist alles«, sagt Bettina. »Was ich meine, ist, dass der lächerliche Sekretär nicht von selbst auf die Idee gekommen ist, ein Verfahren zur Feststellung von Frau Schicks Geschäftsuntüchtigkeit in Gang zu setzen. Wahrscheinlich wäre er selbst überhaupt nie auf die Idee gekommen. So eine Intrige ist einfach eine Nummer zu groß für ihn.«
    »Wie kommen Sie denn da drauf?«
    Bettina klopft auf ihre Hosentasche. »Durch den Anruf gerade. Herr Pottkämper will ausführlichere Berichte über seine Chefin. Nicht für sich selbst, sondern für zwei Herren vom Geschäftsvorstand! Ich wette, die stecken hinter der ganzen Sache und brauchen Pottkämper nur, weil er nun einmal ein illegitimer Sohn des Firmengründers ist.«
    Nelly runzelt die Stirn. »Sind Sie sicher?«
    Bettina nickt. »Ja. Eine Anwaltskanzlei arbeitet offenbar bereits an einem Schriftsatz zur Anfechtung des Testamentes von Paul Schick. Außerdem gibt es bereits einen Termin beim Betreuungsgericht.«
    »Das müssen Sie Frau Schick sagen!«
    »Noch nicht, Nelly. Ich muss zunächst herausfinden, ob es unter uns weitere Maulwürfe gibt, die hier Informationen über Frau Schick sammeln.«
    Nelly muss nicht lange überlegen, wer der Übeltäter sein könnte. »Unser guter Herr Herberger alias Gast könnte mit drinstecken!«
    »Er oder Paolo. Die beiden verhalten sich doch höchst seltsam, meinen Sie nicht?«
    »Nicht Paolo«, sagt Nelly entschieden und sucht mit den Augen den Weg nach ihm ab. Sie macht seine Gestalt auf einer entfernten Hügelkuppe aus. Hildegard und Ernst-Theodor beginnen soeben den Aufstieg zu ihm. Paolo steht im Gegenlicht, Quijote umtänzelt ihn. Nein, ihr jugendlicher Wanderführer sieht ganz und gar nicht nach einem Schurken aus, sondern wie immer ein bisschen wie Jesus.
    Bettina seufzt. »Ja, ich fände es auch schade, aber ich weiß, dass er erhebliche

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