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Frau Schick räumt auf

Frau Schick räumt auf

Titel: Frau Schick räumt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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Ziegenkäses. Ein Typ Mann, mit dem sie dank Ricardas Parship -Geschenkabo genug Erfahrungen gesammelt hat. Laut einer Umfrage, die sie kürzlich gelesen hat, verbindet Männer und Frauen im Gespräch und in Beziehungen auf Dauer ohnehin erschreckend wenig miteinander – abgesehen von den Themen Reisen und Essen. Von beidem hat sie erst einmal die Nase voll.
    »Ich habe Sie beim Hereinkommen erst nicht erkannt«, fährt Herberger fort und mustert Nellys neue Ausstattung. Sein Blick bleibt mit leisem Kopfschütteln an den Marc-Jacobs-Pumps hängen. »Bis Sie hingefallen sind.«
    Soll das jetzt witzig sein? Der unverschämte Kerl deutet eine Verbeugung an und macht erneut Anstalten, sich aus seinem olivgrünen Sessel zu erheben: »Wie wäre es, wenn wir uns näher miteinander bekannt machten?«
    Nelly erklimmt betont elegant den Hocker. »Nein danke, ich kenne bereits genug Männer.«
    Herberger hebt beide Brauen und nimmt das Buch vor seine Nase.
    Bestimmt liest er einen Kulturreiseführer für Angeber, so einen wie den, den er ihr zugesteckt hat, nur noch feinnerviger. Nelly kneift die Augen zu und entziffert den Titel. La Segrada Escritura . Wie bitte? Der liest die Heilige Schrift?
    Merkwürdig. Wie ein Gott-, Sinn- und Selbstsucher sieht der eher nicht aus. Wenn sie ihn genauer betrachtet, sieht er allerdings auch nicht wie ein Käse- und Zeit-Abonnement aus, eher ein bisschen … hm … undurchsichtig.
    »Falls Sie sich wundern: Ich lese die Bibel im Auftrag von Frau Schick«, sagt Herberger, ohne von der Lektüre aufzuschauen. »Das Matthäus-Evangelium Kapitel sieben: ›Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet.‹ Tja, und dann folgt die Stelle über den Balken im eigenen Auge, den man sich herausziehen soll, bevor man sich um die Splitter kümmert, die den Blick des anderen trüben. Ziemlich interessantes Kapitel darüber, dass man andere vorschnell verurteilt, um von eigenen Fehlern abzulenken, finden Sie nicht?«
    Nicht hinschauen, ermahnt sich Nelly. Nicht hinhören und nicht hinschauen. Und überhaupt: Jetzt denkst du schon wieder über die Geheimnisse der Männer nach. Was interessiert dich denn, warum ein unfreundlicher Torfkopf wie Herberger die Bibel liest?
    Schluss damit! Es geht ab sofort nur noch darum, sich wie Jane Austen damit abzufinden, »dass ich nicht mehr jung bin, was durchaus seine Reize hat. Man setzt mich auf das Sofa am Kamin, und ich kann soviel Wein trinken, wie mir schmeckt.« Genau. Und Brandy.
    Jedenfalls so lange das Geld reicht. Nelly konzentriert sich auf die Flaschengalerie, die vor einer Spiegelwand aufgereiht ist und zusammen mit Cognacschwenkern, Likör- und Whiskygläsern dort ein diskretes Dasein führt. Wie viel Promille erlauben ihr die restlichen dreißig Euro und vierundvierzig Cent von Frau Schick? Hoffentlich mehr als drei Gläser. Vielleicht vier, wenn sie auf ihre Henkersmahlzeit verzichtet. Der Geruch nach öltriefenden Patates fritas , der aus dem angrenzenden Restaurant herüberdringt, ist ohnehin nicht verlockend. Daran laben sich wahrscheinlich gerade die Pilger, die ihre Wanderstöcke als Stolperfalle hinterlassen haben, um sich schon einmal Sitzplätze für einen Absacker zu sichern. Getrieben von der allgegenwärtigen Pilgersorge: Hoffentlich bekomme ich noch einen Platz. In der Herberge. Im Café. In der Bar. Und last but not least : im Himmel ganz nah bei Gott.
    »Aber Nelly!«, tadelt ein zartes Stimmchen. Es hört sich nach ihrem eigenen an. Nach der Nelly, die zuhause Wundertüten-Spirituelle wie Ekkehart Tolle unter dem Bett versteckt, weil im Bett alles so leer und lieblos und ihr Leben so sinnlos ist.
    Tolle ist leider auch ein Trottel und Gott seit Nietzsche unwiderruflich tot.
    NELLY!
    Ach, ist ja auch egal. Pamplona, wo andere den Eingang zum Himmel oder sich selbst suchen, hat sich für sie in jedem Fall zu einem Trip in die eigene Hölle entwickelt, und nicht zu einem Urlaub von sich selbst und ihrem verpatzten Leben.
    Ihre Augen durcheilen auf der Suche nach dem Barkeeper den Raum. Wenn man sich Männer schön trinken kann, warum nicht auch sich selbst. Nein, nein, nein! Um Schönsein geht es nicht mehr. Nie mehr.
    Was für eine enorme Erleichterung diese Erkenntnis doch ist! Da tun sich ganz neue Möglichkeiten auf. Sie könnte sorglos dick werden. Dick, sternhagelvoll und dank der einsetzenden Wechseljahre zugleich so unsichtbar, dass sie unerkannt eine Bank ausrauben oder Handtaschen klauen könnte. Vielleicht wäre das auch eine

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