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Frau Schick räumt auf

Frau Schick räumt auf

Titel: Frau Schick räumt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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zersprangen die eisernen Ringe, die sich Jahre zuvor um ihr Herz gelegt hatten, damit es nicht zerbrach.
    Zwei Unberührbare, die sich im Mondschein getraut haben, was sie jahrelang gemieden hatten: zu viel Gefühl und Zärtlichkeit. Das haben sie sofort erkannt. Sie haben sich mit den Augen behutsam von allen Panzern, die das Leben ihnen auf den Leib geschmiedet hat, Schicht um Schicht befreit. Danach haben sie sich immer im Dom-Hotel getroffen. Sehr diskret, damit keiner etwas mitbekam.
    Jason war die erste große Liebe in Röschens Leben, und dennoch ist sie selbstverständlich bei Paul geblieben. Sie kannte ihre Pflichten und hat diese Liebe losgelassen, bevor sie verblühen konnte. Jason war ebenfalls verheiratet und hatte vier Kinder und auch ein Geschäft. Um zu bewahren, was sie aneinander gefunden hatten, mussten sie es loslassen. Das wussten sie beide.
    Frau Schick ist unter ihrem hellen Strohhut ein wenig heiß geworden, ihre Wangen sind gerötet. Nicht vor Scham. Für die Liebe schämt man sich doch nicht! Es muss an der Hitze liegen, die ihr im Hotelkorridor entgegenschlägt. Haben die hier keine Klimaanlage? Sie erreicht den Fahrstuhl, muss warten und kehrt in Gedanken noch einmal zu ihrem Liebhaber und Gentleman zurück.
    Herrje, wie hieß der Gute noch mit Nachnamen? An seinen Geruch – eine Mischung aus Tabak und Eau de Savage – erinnert sie sich noch genau, aber an den Namen … Ferguson? Nein, nein. Na ja, das ist ja auch mehr als vierzig Jahre her. So lange, dass es nicht mehr wahr ist. Selbstredend hat sie über Jason und ein oder zwei andere Fistanöllchen, wie das in Köln ganz reizend heißt, gegenüber niemandem je ein Wort verloren.
    Genauso wenig wie Paul über die seinen.
    Oder Thekla über das ihre mit Paul.
    Halt, nein, das ist etwas anderes! Das war mehr als eine folgenlose Liebelei. Das war … Hm, ja was denn?
    »Ich hatte Mitleid mit ihm«, schießt Theklas Satz ihr durch den Kopf.
    So ein Unsinn, liebe Thekla, widerspricht sie innerlich, das war eiskalter Verrat! Sie hätte Thekla im Namen der Liebe niemals so betrogen und belogen. NIE. Paul konnte sie ja gar nicht betrügen. Den hat sie schließlich nicht geliebt, sondern nur geheiratet, damit Thekla und sie endlich aus diesem Loch neben dem Waschkeller herauskamen, in dem eine entfernte Verwandte sie und Röschen bis 1953 untergebracht hatte. Sieben Jahre Notunterkunft waren einfach genug gewesen. Da mussten sie doch raus! Paulchen Schick, das hat Röschen damals sofort gewusst, hatte Potential und wollte mit allen Mitteln nach oben. Und sie, die geborene Freifrau von Todden, wusste, wie man sich, ohne auszurutschen und auf die Nase zu fallen, ganz oben bewegt. Nicht zu aufdringlich, aber auch nicht zu schüchtern, nicht zu frech, aber durchaus forsch, nicht windig, aber wendig. Zusammen haben sie den Aufstieg problemlos geschafft. Paulchens oft überschwängliche Gefühle und Begeisterung hielt Röschen anfangs für eine rheinländische Besonderheit. Vor allem, weil diese Gefühle sehr sprunghaft waren – zu sprunghaft für sie, besonders nach all dem, was hinter ihr lag.
    »Ich hatte Mitleid mit ihm und war wütend auf dich, weil du ihm kalt und unerreichbar warst und seine Göttin«, beharrt Thekla.
    Wut? Warum? Weil Röschen alles getan hat, damit es für sie und Thekla endlich aufwärtsgeht?
    Frau Schick schüttelt traurig den Kopf. Man kann doch niemanden aus Wut auf einen anderen lieben! Und warum war Thekla überhaupt wütend? Wie soll sie das jemals ohne sie herausfinden?
    Mit Bettinas Hilfe! Ja, die muss sie finden. Nur wo? Leider hat sich die Gute ja der Stadtführung angeschlossen und ist deshalb nicht auf ihrem Zimmer. Von wegen ihrem . Ha! Das Zimmer von Bettina war ursprünglich für Thekla vorgesehen. Noch ein Indiz, dass die Dame etwas weiß!
    Der Fahrstuhl verkündet mit einem kleinen »Ping« seine Ankunft, die Türen gleiten auseinander, und Frau Schick steigt ein. Augenblicke später schreitet sie energisch durch einen weiteren Korridor. Flötenklänge durchschweben den Gang. Hier also hält Jesus seine Siesta. Nun, jeder faulenzt auf seine Weise. Die Stadtführung durch Pamplona darf Paolo nicht selbst leiten, weil man in Spanien anscheinend für jede Stadt eine Extraprüfung und Genehmigung braucht. Ob sie Paolo fragen soll, wo der Rest der Truppe gerade etwas über Kirchen und Altäre lernt?
    Ach nein, soll der sich mal ausruhen, vielleicht gibt es dann am Abend wieder ein kleines Spontankonzert von ihm

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