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Frau Schick räumt auf

Frau Schick räumt auf

Titel: Frau Schick räumt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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Frau Schick.
    »Eh, vielleicht momento oder momentito«, erwägt Bettina und blättert hektisch im Lexikon.
    »Momentito! « , ruft Frau Schick dem Pagen zu, der sich verwundert zu ihr umdreht. Das mit dem o am Ende scheint ein genialer Trick zu sein. Langsam kommt sie sogar den Geheimnissen der spanischen Sprache auf die Spur.
    »El Koffero mio aus dem Jaguar«, improvisiert Frau Schick, »pronto.« Sie deutet gebieterisch erst auf den Trolley, dann auf sich. Quijote begreift den Befehlston sofort und lässt sich hechelnd zu ihren Füßen nieder. »Dummer Hund, hält sich glatt für einen Koffer!«
    »Quijote ist nicht dumm.«
    Der Page betrachtet ratlos den Trolley, dann Frau Schick. Schulterzuckend bewegt er sich schließlich samt Gepäckstück auf sie zu. Er setzt ihn vor ihr ab, deutet auf den Adressanhänger und murmelt fragend: »Señora Brinken-ba-umer? Nelly?«
    »No«, sagt Bettina.
    » S í «, sagt Frau Schick, die blitzschnell begriffen hat, um wessen Koffer es sich bei dem Trolley handelt. Sie schnappt nach dem Griff.
    Der Page macht Anstalten, Nellys dreibeinigen Salsa Fun zu verteidigen. Doch als Quijote die Zähne fletscht, gibt er auf und lädt auch den Rucksack neben Frau Schick ab.
    Die nickt gnädig. » Multo gracias. Rasch, Bettina, laufen Sie nach vorne zum Empfang. Ich will wissen, wer das Ding und den Rucksack gebracht hat! Wenn er noch da ist, soll Herr Viabadel ihn umgehend rauswerfen.«
    »Frau Schick! Dazu reicht mein Spanisch wirklich nicht. Und außerdem, was soll das? Nelly wird sich freuen, ihr gestohlenes Gepäck zurückzuhaben. Ein Diebstahl ist ein traumatischer Eingriff in das persönliche Sicherheitsempfinden. Nelly wird erleichtert sein und möchte dem ehrlichen Finder bestimmt danken.«
    »Nur über meine Leiche!«, schimpft Frau Schick und tastet nach dem Griff des neben ihr abgesetzten Trolleys. Eine andere Hand kommt ihr zuvor und zieht den Trolley energisch nach hinten weg. Frau Schick wirbelt herum. »Herberger, Sie?«
    »Ich nehme Frau Brinkbäumers Gepäck wohl besser an mich, bevor es ein zweites Mal verschwindet. Sie freut sich sicherlich, alles zurückzubekommen. Falls sogar das Geld und ihre Papiere noch da sind, kann sie sofort abreisen.«
    »Abreisen? Auf keinen Fall. Was machen Sie überhaupt schon hier? Ich habe Ihnen doch frei gegeben. Sie gehören auf den Jakobsweg.«
    »Nicht mehr, Frau Schick. Ein freundlicher Fernfahrer hat mir bei der Verkürzung der Etappe geholfen.« Herberger schultert Nellys Rucksack und macht sich samt Koffer auf den Weg zu seinem Zimmer.
    »Herberger, bringen Sie das sofort zurück, oder Sie sind entlassen!«, droht Frau Schick.
    »Nicht nötig, ich kündige.«
    »Und wer fährt dann den Jaguar? Ich bin so gut wie blind!«

28.
    Genüsslich lässt Nelly Wasser auf sich herabregnen. Eine heiße Dusche nach einer Wanderung über fünfundzwanzig Kilometer ist keine gewöhnliche Dusche, sondern eine Offenbarung. Nellys Waden schmerzen, die Füße brennen. Sie spürt Körperteile, deren Existenz sie bislang ignoriert hat, und ihr Magen ist ein knurrendes Hungerloch. Dennoch ist es für Nelly geradezu ein Luxus, sich ganz und gar mit ihrem Körper und seinem Befinden zu befassen. Bereitwillig überlässt sie ihm alles Fühlen und Planen: duschen, essen, schlafen. Und morgen? Mal sehen. Vielleicht einfach weitergehen. Verlockend ist das auf jeden Fall, aber dazu schweigt ihr Körper weise. Sie stellt den Duschstrahl auf Schauerstärke.
    Bilder der zurückgelegten Strecke lichtern ihr durch den Kopf. Der Weg von Eunate nach hier, vorbei an Getreidefeldern und kahl ansteigenden Bergzügen. Ein versilberter Totenschädel in der Pfarrkirche von Obanos, der einmal jährlich mit Wein übergossen wird, den die Dorfbewohner hernach zwecks Wunderheilung trinken. Es folgen innere Schnappschüsse vom stolzen Dörfchen Puenta la Reina mit handtuchschmalen Häuserschluchten, rankenumschlungenen Palacios und einer auf sechs Bögen ruhenden Steinbrücke, die alle von den Pyrenäen kommenden Jakobswegachsen und Pilger vereint. Wie ungezählte Wallfahrer zuvor haben auch sie mit Paolo auf dem Scheitelpunkt der Brücke innegehalten, um deren Abbild im Wasser zu bestaunen.
    Ernst-Theodor hat versucht, Brücke und Gruppe samt ihrer optischen Verdopplung fotografisch festzuhalten, schließlich aber aufgegeben und sich mit der üblichen Gruppenaufnahme am Fuß der Puenta la Reina zufriedengegeben.
    Hinter der Brücke ging es recht steil bergauf. Bis Cirauqi, was

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