Frau Schick räumt auf
Baske hat auf meine Bitte die Koffer bereits auf die Zimmer verteilen lassen. Sie müssen nur noch die Zimmerschlüssel besorgen.«
»Ich?«
»Ja, wir brauchen alle außer Nellys. Die kann schließlich nichts damit zu tun haben, weil ich meinen Knicker vor ihrer Ankunft bekommen habe und ihr Gepäck allein aus meinen Einkäufen besteht. Ich hoffe, sie trägt heute Abend das schöne neue Kleid.«
»Wie soll ich Herrn Viabadel denn erklären, dass ich fremde Zimmerschlüssel brauche?«
Frau Schick schüttelt ungeduldig den Kopf. Praktisch veranlagt ist Bettina nun wirklich nicht. »Sie brauchen sie, weil ich an meine Wanderstöcke heranmuss, die dummerweise an Hildegards Koffer festgeschnallt wurden. Und meine Medikamententasche, die ich im Übrigen dringend brauche, hat doch tatsächlich fälschlicherweise auf Marthas Rollkoffer gelegen. Sie dürfen unserem Gastgeber gegenüber außerdem gern andeuten, dass ich mitunter Dinge verlege und ein wenig vergesslich bin.«
Bettina wirkt noch lange nicht überzeugt. »Dafür reicht mein Spanisch nicht.«
Frau Schick lässt den rechten Zeigefinger neben ihrem Kopf rotieren. »Ich denke, diese Geste ist international geläufig. Dazu seufzen Sie einfach meinen Namen. Das Wort ›Wanderstock‹ findet sich hoffentlich in Ihrem Taschenlexikon.«
Bettina schüttelt sprachlos den Kopf. »Wann und wie haben Sie das mit den Stöcken und Ihrer Medizintasche denn schon wieder bewerkstelligt?«
»Während Sie mit Señor Viabadel in meinem Auftrag in der Bar erstaunlich lange und ergebnislos über Filterkaffee diskutiert haben. Merkwürdig, dass das Wort nicht einmal im Lexikon vorkommt. Aber nun … Manchmal ist es auch nützlich, eine Sprache nicht zu beherrschen. Man gewinnt Zeit und kommt sich näher, nicht wahr? Ich denke, unser charmanter Winzer gibt Ihnen von Herzen gern jeden Schlüssel, nur den zum Weinkeller nicht, da scheint er eigen zu sein.«
»Ich kann ihn jetzt unmöglich stören. Er ist in der Küche beschäftigt«, wehrt sich Bettina. »Die ist ihm heilig.«
»Woher wissen Sie denn das?«
»Er wollte sie mir vorhin unbedingt zeigen und das Abendessen genauer beschreiben. Er kocht es nämlich selbst, und ich esse gern.«
»Umso besser! Loben Sie seine Suppe oder was auch immer er fabriziert, dann frisst er Ihnen aus der Hand.«
Bettina senkt errötend den Kopf zu Quijote hinab: »Du bist ein feiner, ein ganz feiner und guter Hund, der allerbeste der Welt.«
Für sein Herrchen sollte sie eine andere Tonlage und raffiniertere Koseworte benutzen, findet Frau Schick und räuspert sich. »Ich werde jetzt einen Pagen damit beauftragen, Herbergers Sachen aus dem Jaguar in mein Zimmer zu bringen. Ich bin gespannt, ob ich darin neben den geheimnisvollen Rasierpinseln auch die Murmeln finde.«
»Und ich soll mich derweil wohl von Hildegard beim Durchwühlen des Gepäcks erwischen lassen«, mault Bettina.
»Ach, keine Bange, die fange ich rechtzeitig ab! Und Ernst-Theodor hat sicher nichts gegen einen Besuch von Ihnen einzuwenden. Sie können ihn ja nach Zahnpasta fragen.«
»Ernst-Theodor? Den doch nicht!«
»Warum haben Sie dann gestern Abend im Café Iruña stundenlang mit ihm über Sitzmadonnen gefachsimpelt? Und noch dazu über Fruchtbarkeitsgöttinnen und heidnische Rituale!«
»Weil längs des Jakobsweges tatsächlich die erstaunlichsten Kirchen stehen und äußerst rätselhafte Kultstätten.«
»Papperlapapp! Ihr Interesse muss den Kerl doch auf dumme Gedanken bringen.«
»Er tat mir einfach leid«, protestiert Bettina.
Frau Schicks Ton wird streng. »Bettina, dass sollten Sie sich dringend abgewöhnen. Männer seines Alters verwechseln unser Mitleid gern mit Bewunderung, und Gespräche über Fruchtbarkeitsgöttinnen könnten fatale Auswirkungen haben.«
»Aber doch nicht auf einen so verknöcherten Theoretiker wie Ernst-Theodor.«
»Gerade auf einen Theoretiker wie Ernst-Theodor! Na ja, vielleicht tut es seiner Hildegard mal ganz gut, wenn sie ihren Langeweiler für ein Objekt fremder Begierde …« Das ohrenbetäubende Rumpeln von Kofferrollen auf Buckelfliesen unterbricht Frau Schick. »Ah, endlich Bedienung.«
Ein Page rollt einen ramponierten Trolley durch den Patio, über seiner linken Schulter baumelt ein Rucksack. Quijote knurrt verhalten.
»Mooooment!«, ruft Frau Schick. Der Page rollert unbeirrt weiter. »Bettina, was heißt ›Moment‹ auf Spanisch? Oder ›sofort stehenbleiben‹. Nun schlagen Sie doch schon nach! Schnell!«, drängt
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