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Frau Schick räumt auf

Frau Schick räumt auf

Titel: Frau Schick räumt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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nicht nur Geld, sondern auch Geschmack, das muss man ihr lassen. Nelly zieht sich rasch an und lächelt. Selbst an Gesichtscreme, Wimperntusche und Lippenstift hat Frau Schick gedacht.
    Sie wird sich gleich aus vollem Herzen und mit endlich wieder klarem Kopf bei ihr bedanken. Für alles. Für die Rettung im Wald, für die Wimperntusche, den Wandertag und den sogenannten Job. Warum hat sie Frau Schick nur je misstraut? Sie ist die großzügigste Frau, die ihr jemals begegnet ist, ein ganz und gar selbstloser Mensch, von dem man nur lernen kann.
    Rasch kramt Nelly die Bibel aus dem neuen Rucksack, den ihr Frau Schick ebenfalls mitgebracht hat. Was wollte sie noch einmal übersetzt haben?
    »Matthäus 7, Verse 1 bis 5«, liest sie von einem Stichwortzettel in Frau Schicks Handschrift ab. Sie blättert und überfliegt die Verse kurz. Eine ganz berühmte Stelle: Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet. Na, das wird sie wohl hinbekommen, ohne sich mit Luther messen zu müssen.
    Nelly macht sich rasch Notizen, dann greift sie nach den Schlüsseln auf dem Nachttisch. Ihr Blick streift das Telefon, und spontan fasst sie einen Entschluss: Sie wird bei Ricarda anrufen, jetzt sofort. Sie wird die unangenehme Beichte über ihre Missgeschicke und den Mistkerl Javier hinter sich bringen und sich mit ihrer Freundin versöhnen. Aber was heißt überhaupt »Missgeschicke«? Ihr geht es gut, besser als sie es nach all ihren Dummheiten verdient hat.
    Becky, das erkennt Nelly auf einmal, geht es auch gut. Sie wird erwachsen und wird dabei Fehler machen und Enttäuschungen erleben und Erfolge – alles auf ihre Weise. Und Nelly wird sie weiterhin lieben – und irgendwann lernen, sich nicht mehr an Erinnerungen an die kleine Becky festzuklammern, die es nicht mehr gibt. Egal, wie weh es tut.
    Nelly wählt Ricardas Nummer.
    Ricarda scheint darauf gewartet zu haben, denn schon nach dem ersten Klingeln ist sie am Apparat. »Nelly?«
    »Ja.«
    »Ich bin so froh, dass du endlich anrufst. Was genau ist passiert? Und was oder wer zum Teufel ist dieser Javier in echt?«
    »Ein Betrüger. Er hat mich in Bilbao abgeholt und ist später mit meinem Gepäck und dem Mietwagen verschwunden.«
    »Mehr ist nicht passiert, ich meine …«
    Nelly weiß, was sie meint. »Nein, mehr ist nicht passiert. Er hat mich schlicht und einfach beklaut.«
    »Oh Nelly. Das tut mir so leid. Wo bist du? Ich setze mich in den nächsten Flieger, ich habe die Zeiten schon rausgesucht und …«
    »Kein Grund zur Besorgnis, mir geht es gut, wirklich. Mir geht es sogar blendend. Ich sitze frisch geduscht in einem wundervollen Hotelzimmer und werde gleich köstlich essen.«
    »Hast du Geld?«
    »Ja.«
    »Woher?«
    Das will Nelly nun wirklich für sich behalten. Die ganze Geschichte mit Frau Schick klingt auch in ihren Ohren ein wenig zu verrückt, und mit Verrücktheiten will sie ihrer Freundin nicht mehr kommen. »Ricarda, ich rufe an, um dir zu sagen, wie leid mir unser letztes Gespräch tut. Ich wollte dich nicht so anschreien.«
    »Ach Nelly. Das verstehe ich gut. Das mit Ferdinand und mir …«
    So genau will Nelly nicht wissen, was zwischen ihrer besten Freundin und ihrem Nachbarn läuft. Darum unterbricht sie Ricarda rasch. »Das ist eure Sache, Ricarda. Ganz allein eure.«
    Sie ist schließlich nicht wie Ricarda, die sich immerfort in anderer Leute Herzensangelegenheit einmischt. Ha! Großzügigkeit ist ein ganz wunderbares Gefühl.
    Sie schweigen kurz.
    Dann gibt Nelly sich einen Ruck. »Ihr passt sehr gut zueinander«, sagt sie leise.
    »Verliebte passen immer zueinander, Nelly. Ich hoffe, wir unterliegen nicht nur einer optischen Täuschung.«
    So wie ich, denkt Nelly verärgert.
    »Nun, ich will es herausfinden. Und Ferdinand auch. Er ist so ein wundervoller …« Ricarda bricht ab.
    Wieder Schweigen.
    Beide wissen, dass es von nun an Sperrgebiete in ihren Gesprächen gibt, denen sie sich behutsam nähern müssen. Und es gibt Bereiche in Ricardas Leben – so beschließt Nelly –, zu denen erst einmal nur Fellmann Zutritt haben soll.
    Ricarda wagt den nächsten Anlauf. »Aber nun sag endlich, was genau passiert ist mit deinem, diesem …« Nelly hört, dass Ricarda mit sich kämpft, bevor sie schlicht und einfach »Javier« sagt. Ohne schmückende Beinamen wie »spanische Nacktschnecke« oder »Phantom von Pamplona«. Dabei berechtigt alles, was Nelly von Javier zu erzählen hat, zu weit schlimmeren Bezeichnungen.
    »Javier ist mit mir …« Ein

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