Frauen al dente. (German Edition)
Marlen eine Tasse mit frisch aufgebrühtem Kaffee an. Sie machte keinen Hehl aus ihrer Neugier. Die Vier-Augen-Gespräche bei der Weigold genossen legendären Ruhm, denn selten bedeuteten sie etwas Gutes. In der Regel hagelte es dann kompromißlose und mitunter ätzende Kritik, während sie ihre seltenen Belobigungen stets vor versammeltem Redaktionsstab verlieh. Ebenfalls ein zweischneidiges Vergnügen. Wer wollte schon als Streber der Nation den hämisch-neiderfüllten Blicken seiner Kollegen ausgesetzt werden?
Marlen verschanzte sich hinter einer betont gleichmütigen Miene und stöckelte an Tanja vorbei in ihr Büro. Um gleich darauf noch einmal den Kopf herauszustecken.
»Eine neue Artikelserie, nichts Besonderes. Bitte sorg dafür, daß ich in der nächsten halben Stunde nicht gestört werde.« Tür zu.
Gekränkt griff Tanja zum Telefonhörer. Eine gute Sekretärin wußte immer Mittel und Wege, um an wirklich wichtige Informationen zu gelangen. Und sie, Tanja, war eine hervorragende Sekretärin.
Marlens Schreibtisch bog sich unter Bergen von Papier, und auch das Körbchen mit der Tagespost quoll über. Doch sie verspürte nicht die geringste Lust, sich an die Arbeit zu begeben. Heute war ein besonderer Tag, ihr Tag. Die Weigold hatte ihr die Karriereleiter hingehalten, nun brauchte sie nur noch den Fuß auf die Sprossen zu setzen. Wenn das kein Grund zum Feiern war. Sie würde Barbara und Hella zu Nudeln und Chianti zum Italiener einladen, zu
ihrem
Italiener.
Hella, Barbara und Marlen hatten sich vor einem Jahr durch eine Wohnungsannonce kennengelernt.
Großzügige 4-Zimmer-Wohnung, Küche, Diele, Bad, Parkettboden, mitten im Herzen von Düsseldorf,
hatte in der Annonce gestanden. Der Makler hatte alle drei Interessentinnen gleichzeitig zur Besichtigung eingeladen. Und für alle drei stand sehr schnell fest, daß die Wohnung der absolute Traum war. Südlage mit großer Loggia, Ausblick ins Grüne, der Stadtpark direkt gegenüber. Und das Beste, nur fünf Minuten bis zu ihren jeweiligen Arbeitsplätzen in der City. Aber der Preis …!
Und dann schlug dieser pfiffige Makler, der die Traumwohnung bereits seit Wochen vergeblich wie Sauerbier angeboten hatte, den verblüfften Frauen vor, die Wohnung gemeinsam zu beziehen. Die ideale Lösung für drei karrieremäßig stark engagierte Singles, die sich ohnehin nur abends begegnen würden. Anfangs Ratlosigkeit. Doch dann erwärmte Marlen sich als erste für diesen Gedanken. Ihr Mietvertrag lief in drei Wochen aus, es wurde für sie also allerhöchste Zeit, eine neue Bleibe zu finden. Hella und Barbara erging es ähnlich, und den endgültigen Ausschlag gab ihre gemeinsame Vorliebe für italienisches Essen, stark geknofelt selbstverständlich, die sie beim Italiener um die Ecke entdeckten. Noch mit leichtem Rotweinnebel im Hirn unterzeichneten sie einen Tag später bereits den Mietvertrag, und pünktlich zwei Wochen später zogen sie ein. Und, oh Wunder – trotz anfänglicher Skepsis – bewährte sich ihre Weiberwirtschaft bislang bestens. Insgeheim kam sie Marlen sogar wie die beste aller möglichen Lebensformen vor. Nach einem anstrengenden Tag in der Redaktion genoß sie es einfach, die Nähe vertrauter Menschen um sich zu spüren, ohne über jede Minute, die sie später als sonst nach Hause kam, Rechenschaft ablegen zu müssen. Zweimal in der Woche kam die Putzfrau, und so war auch das heikelste Thema des Zusammenlebens zu aller Zufriedenheit geklärt. Stattdessen genossen sie spontane Klönabende oder gemeinsame Essen bei ihrem Italiener.
Marlen durchforstete ihr Notizbuch nach den Telefonnummern der Freundinnen. Sie telefonierten selten während der Arbeitszeit miteinander. Zuviel Streß, zuviel Hektik. Doch Ausnahmen bestätigten die Regel.
Hella Merten, die Bankkauffrau mit dem Spezialgebiet Kreditwesen, weilte wieder einmal in einer Besprechung, aus der sie leider nicht herausgerufen werden durfte. So hinterließ Marlen bei Hellas Sekretärin nur Ort und Zeitpunkt ihres Treffens. »Aber nicht vergessen,« fügte sie unklugerweise hinzu, womit sie sich auf Ewigkeiten alle Sympathien verscherzte.
Hoffentlich traf sie wenigstens die Dritte im Bunde an. Barbara Koch arbeitete zur Zeit als Referentin im Verkehrsministerium, genaugenommen nur als Schwangerschaftsvertretung, da die ersehnte Festanstellung trotz ihres Diploms in Sozialwissenschaften auf sich warten ließ.
Marlen lauschte dem monotonen Klang des Freizeichens, das aus dem Hörer drang. Ihre
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