Frauen al dente. (German Edition)
Kleine kannte sich aus.
Marlen schwante Übles.
»Du willst mir bloß deine Puppe nicht geben, aber du mußt sie mir geben, du hast verloren.« Streit lag in der Luft.
»Erst guck ich nach, ob tatsächlich 'ne Leiche unter der Maske liegt.« Die Kinder rückten spürbar näher an Marlen heran. Panik erfaßte sie. Die beiden sollten nicht wagen, sie anzurühren. Fieberhaft überlegte sie, wie sie den Übergriff abwehren konnte. Doch die Decken um sie herum saßen stramm und absolut abwurfsicher.
Tock, tock, tock.
Zunächst vorsichtig, dann zunehmend wagemutiger, klopften die Mädchen auf Marlens Mineralienmaske herum. Das Spiel schien ihnen Spaß zu machen.
Das hielt ja die stärkste Frau nicht aus. Was zuviel war, war zuviel. Marlen stieß ein unwilliges Grunzen aus und kämpfte sich mit aller Kraft aus ihren Decken.
»Aaaaaaaaaah!!!« Laut kreischend stoben die Mädchen davon.
»Was ist denn hier los? Habe ich euch nicht gesagt, daß ihr in den Behandlungsräumen nichts verloren habt? Ab mit euch nach oben!« Nenas energische Stimme verfolgte die beiden noch, doch dann wandte sie sich lachend an Marlen.
»Jetzt haben Sie den beiden aber einen tüchtigen Schrecken eingejagt. So schnell werden sie sich nicht mehr hier unten blicken lassen.« Sanft drückte Nena Marlen zurück auf die Liege.
Wer hat hier wem einen Schrecken eingejagt, protestierte Marlen insgeheim. Dankbar spürte sie, wie ihr Gesicht endlich von der leidigen Maske erlöst wurde.
»Wunderbar!« befand Nena. Sie wischte die Reste mit einem feuchten Tuch ab, trug eine leichte Tagescreme auf und hielt Nena einen Spiegel vors Gesicht.
»Sehen Sie, wie schön Ihre Haut jetzt durchblutet ist?« fragte sie stolz und zufrieden.
Entsetzt starrte Marlen auf ihr rosiges Spiegelbild. Oder besser formuliert, auf ihr puterrotes Spiegelbild. Ihr Gesicht sah wie ein Heizkessel aus, kurz vor der Explosion.
»Soo kann ich unmöglich auf die Straße gehen!« entfuhr es ihr.
Prompt verfinsterte sich Nenas Miene. »Überlegen Sie mal, wieviel Nährstoffe wir soeben in Ihre Haut gepumpt haben. Sie verlangen doch nicht etwa im Ernst von mir, daß ich jetzt alles wieder mit Make-up zustopfe? Drei bis vier Stunden sollten Sie mindestens warten.«
Selbst die emanzipierteste Frau schmolz unter den Händen und den unnachgiebigen Worten ihres Friseurs oder ihrer Kosmetikerin zu Wachs. Kleinlaut fügte Marlen sich in ihr Schicksal. Sie wagte noch nicht einmal den Wunsch nach einem Hauch von Augen-Make-up zu äußern. Bloß weg aus dieser Folterkammer, heim in ihre eigenen, sicheren vier Wände. Was machte es schon, wenn sie die zwei Straßen bis nach Hause mit gesenktem Haupt und im Schatten der Hauswände zurücklegte.
Kurz vor acht betrat Marlen das Ristorante. Während sie Giovanni, dem Hausherrn, durch die Tischreihen folgte, gratulierte sie sich zu dem Weitblick, ihren Stammtisch reservieren zu lassen. Wie stets um diese Zeit war das Lokal brechend voll.
»Was darf ich Ihnen zu trinken bringen, Signorina? Eine Karaffe von unserem Hauswein, wie immer?« Giovanni bot ihr zuvorkommend den Stuhl an.
»Gerne, Giovanni. Und bitte die Karte. Allerdings warte ich mit der Bestellung noch, bis meine Freundinnen eintreffen.«
»Prego!« Ungewohnt befangen nahm Marlen die Speisekarte entgegen. Unter der zentimeterdicken Schicht Abdeckcreme, die sie sich aufs Gesicht gepinselt hatte, prickelte ihre Haut noch immer. Starrten die übrigen Gäste nicht längst alle zu ihr herüber? Vermutlich pure Einbildung, doch sicherheitshalber versenkte Marlen ihr Haupt rasch in die Speisekarte. Keine üble Tarnung. Nur gelegentlich tauchte sie auf, um einen Blick auf neu eintreffende Gäste zu werfen. Wo blieben die zwei bloß? Hoffentlich hatte Marlens Nachricht sie überhaupt erreicht. Um Hella machte Marlen sich die geringsten Sorgen. Deren gewissenhafte Sekretärin hatte ihr die frohe Botschaft bestimmt ausgerichtet, früher oder später würde sie hier aufkreuzen. Doch bei Barbara war ihr nichts anderes mehr übrig geblieben, als die Einladung zu Pasta und Wein auf den Kühlschrank zu heften. Der zentrale Umschlagplatz für Nachrichten aller Art in ihrer Wohngemeinschaft. Und außerdem stets Barbaras erste Anlaufstelle, nachdem sie die Wohnung betreten hatte.
Ein neuer Schwall Gäste schwappte herein. Eine Gruppe von fünf oder sechs Leuten. Mitten unter ihnen Barbara. Sie war die einzige Frau in der Runde. Ihr glucksendes Lachen war bis an Marlens Tisch zu hören, ihre
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