Frauen, die Geschichte machten
machen.«
Ben-Gurion hatte gleich den nächsten Auftrag für sie: Botschafterin in der Sowjetunion. Stalins Reich stand damals noch gut
mit Israel und hatte als einer der ersten den Staat Israel anerkannt. Über sowjetische Satelliten waren bedeutende Waffengeschäfte
gelaufen. Im September 1948 traf die israelische Delegation in Moskau ein. Da sie nur über einen bescheidenen Etat verfügte,
blieb Golda Meir und ihren Leuten nichts anderes übrig, als in den Hotelzimmern, die man ihnen zuwies, nach Kibbuz-Art zu
leben, Einkauf von Lebensmitteln und Zubereitung des Essens auf einer geliehenen Kochplatte wurde gemeinschaftlich organisiert.
Acht Monate später wurde Golda Meir zu einer neuen Aufgabe abberufen. Ihr Mentor Ben-Gurion bildete nach den Wahlen vom Januar
1949 ein neues Kabinett, und als Minister für Arbeit und soziale Sicherheit wollte er Golda Meir haben. Das stieß allerdings
auf Schwierigkeiten. Seine Partei, die Mapai (»Vereinigte Arbeiterpartei«), der auch Golda Meir angehörte, war zwar stärkste
politische Kraft, besaß aber nicht die Mehrheit im Parlament. Ben-Gurion war auf mehrere kleinere Parteien angewiesen. Eine
von ihnen, der Religiöse Block, weigerte sich, die Regierungsbank mit einer Frau zu teilen. Erst ein Hinweis darauf, dass
es im alten Israel die Richterin Debora gegeben habe, mit einer Funktion, die einem Ministeramt mindestens ebenbürtig sei,
ließ den Widerstand der Orthodoxen schwinden.
Das Arbeitsministerium war in den Jahren nach der Unabhängigkeit neben dem Verteidigungsministerium das zentrale Ressort der
Regierung. Denn auch die Unterbringung und Versorgung der Einwanderer gehörte zu seinen Aufgaben. Und die Einwanderer kamen
in Massen. Der Krieg war zugunsten Israels ausgegangen, die arabischen Armeen zogen sich zurück, ihnen folgten Hunderttausende
von Palästinensern, teilweise aus eigenem Entschluss, teilweise von den siegreichen Israelis vertrieben. Die Flagge mit dem
Davidstern |238| wehte nun über einem weit größeren Gebiet als es Israel im Teilungsbeschluss der UN zugesprochen war, nur das Westjordanland
und der Gazastreifen blieben unbesetzt. Die Menschen, die jetzt in Israel eintrafen, hatten keine Ähnlichkeit mit den robusten
und fröhlichen Idealisten der 20er-Jahre und auch nicht mit den gut ausgebildeten, vermögenden Bürgern der 30er, es waren
arme, oft körperlich ruinierte Menschen, die den Nazis entkommen waren, oder solche, die der Unterdrückung in den arabischen
Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas entgehen wollten. Sie stammten aus gänzlich unterschiedlichen Kulturkreisen, sprachen
nicht dieselbe Sprache und fanden sich im neuen Israel schwer zurecht. Und für alle mussten Unterkünfte und Arbeitsmöglichkeiten
her, mussten Schulen errichtet und ein Gesundheitswesen aufgebaut und gesetzliche Grundlagen für Sozial- und Altersversorgung
geschaffen werden. An Golda Meir war es, dafür im Ausland das nötige Geld aufzutreiben. Wieder reiste sie kreuz und quer durch
Europa und Amerika. 1951 kam es zur ersten israelischen Staatsanleihe, durch die die Finanzierung auf eine festere Grundlage
gestellt wurde.
Das Arbeitsministerium förderte auch den Bau von Wohnungen für die arabische Bevölkerung Palästinas. Mit Befriedigung vermerkt
Golda Meir in ihren Memoiren, wie viel sie für die Hebung des Lebensstandards in den arabischen Dörfern tat. Damit allein
war aber noch keine Zusammenführung von Israelis und Palästinensern zu bewirken. Sie gehörten nun mal nicht zu dem Staat,
der sich im Heiligen Land etabliert hatte. Diese Tatsache blendete die Gründergeneration und mit ihr Golda Meir weitgehend
aus, und die Gegner machten es ihr leicht. Die arabischen Nachbarn erkannten den Staat Israel nicht an, sie beharrten darauf,
dass sämtliche Juden zu verschwinden hätten, sie unternahmen nichts zur Integration der palästinensischen Flüchtlinge und
ließen Guerilla-Gruppen freie Hand.
1955 bewarb sich Golda Meir um das Amt des Bürgermeisters von Tel Aviv. Wieder war es Ben-Gurion, der sie dazu drängte. Wieder
lehnten die religiös gebundenen Koalitionspartner ab, und diesmal half auch kein Verweis auf historische Vorbilder. Der Ministerpräsident
hatte aber schon die nächste Stellung für sie in Aussicht: das Außenministerium. 1956 trat sie dort die Nachfolge von Ben-Gurions
inzwischen mit ihm zerstrittenen Weggefährten Mosche Scharett an. Fast zehn Jahre lang war Golda
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