Frauen, die Geschichte machten
hatte sich den Arbeiter-Zionisten angeschlossen. Gegen Ende des
Ersten Weltkrieges wurde der American Jewish Congress gegründet. Wahlen dazu fanden in allen großen jüdischen Gemeinden statt.
Der übliche Ort politischer Diskussionen war die Synagoge. Da Frauen kein Rederecht in den jüdischen Gotteshäusern hatten,
stellte Golda sich kurzerhand vor der Synagoge auf eine Holzkiste, sprach zu den vorbeigehenden Passanten und erläuterte ihnen
das Programm der Arbeiter-Zionisten. Das kam an und so stellte sie ihre Kiste auch an anderen Orten in der Stadt auf. Als
ihr Vater davon erfuhr, war er außer sich, doch sie ließ sich nicht davon abbringen. Unauffällig mischte sich der Vater unter
die Zuhörer – und er war begeistert. Golda aber nannte später ihre Rede die erfolgreichste ihres Lebens. Auch andere wurden
auf die begabte Agitatorin aufmerksam. Zur Tagung des American Jewish Congress in Philadelphia wählten die Juden Milwaukees
sie als Delegierte. Und es begann die politische Karriere des Mädchens aus Russland.
Ihr Ziel war inzwischen ganz klar. »Ich war zutiefst davon überzeugt, dass ich als Jüdin nach Palästina gehörte.« Sie machte
die Übersiedlung ins Heilige Land auch zur Bedingung, als sie im Dezember 1917 Morris Meyerson heiratete. Das Datum war kein
Zufall, 1917 war das Jahr der Balfour-Deklaration: Der britische Außenminister Lord Balfour hatte eine Erklärung abgegeben,
dass seine Regierung »die Schaffung einer nationalen Heimstätte in Palästina für das jüdische Volk« begünstige: Der Erste
Weltkrieg hatte auch den Nahen Osten ergriffen, und Großbritannien war jeder Verbündete recht, um das Osmanische |235| Reich zu schwächen. Die Besiedelung Palästinas im großen Stil konnte beginnen, wenn auch rechtlich keineswegs gesichert. Denn
ähnliche Zusagen machten die Briten für den Fall eines Sieges über die Türken auch ihren arabischen Verbündeten. Die einheimische
Bevölkerung wurde überhaupt nicht gefragt, und einen jüdischen Staat gedachten die Briten keinesfalls zuzulassen.
Es dauerte bis 1921, ehe das junge Paar mit anderen Gleichgesinnten aufbrechen konnte. Auf einem maroden Schiff namens
Pocahontas
überquerten sie den Atlantik und das Mittelmeer, um im ägyptischen Alexandria schließlich an Land zu gehen. Ein Eisenbahnzug
brachte sie in glühender Julihitze durch die Wüste Sinai ins Land ihrer Sehnsucht. Die Endstation hieß Tel Aviv, später die
Hauptstadt des Staates Israel, im Jahr 1921 aber kaum mehr als ein Dorf in den Sanddünen am Mittelmeer. Golda und Morris hatten
sich für den Kibbuz Merchavia im Norden des Landes beworben. Doch in der Landkommune wollte man sie zunächst nicht haben.
Die verweichlichten Amerikaner seien den Strapazen nicht gewachsen und könnten kein Leben außerhalb der Zivilisation führen,
hieß es. Golda setzte eine Probezeit durch, und schließlich wurden sie aufgenommen. Das karge Leben in der Gemeinschaft und
die harte körperliche Arbeit machten ihr nichts aus. Ihr Mann allerdings litt im Kibbuz, er wurde krank. Nach zweieinhalb
Jahren gaben sie das Leben dort auf und zogen nach Jerusalem, wo Morris Arbeit in einem Büro für öffentliche Bauten fand.
Golda kümmerte sich um die beiden Kinder, Menachem und Sarah, die sie inzwischen zur Welt gebracht hatte.
1928 bekam sie die Chance, das Hausfrauendasein hinter sich zu lassen. Man bot ihr die Stelle einer Sekretärin des Frauen-Arbeiterrates
in der Histadrut an. Die Histadrut (hebräisch für »Organisation« oder »Verband«) war eine Arbeiterorganisation, die anders
als eine Gewerkschaft auch Arbeitgeberfunktionen versah und zahlreiche Institutionen für Kultur, Gesundheitswesen, Sport usw.
umfasste. Diese Aufgabe, die einem Vollzeitarbeitsplatz entsprach und die zudem ausgedehnte Reisen mit sich brachte, bedeutete
das Ende für Golda Meirs Ehe, auch wenn die Trennung von Morris Meyerson erst zehn Jahre später erfolgte. Die Politikerin
nahm es hin, die politische Arbeit stand für sie an erster Stelle. Mit dem Eintritt in die Histadrut verschränkte sich Golda
Meirs Lebensweg aufs engste mit der Entwicklung des Staates Israel.
Die Briten hatten sich nach dem Untergang des Osmanischen Reiches mit den Franzosen auf eine Aufteilung des Nahen Ostens verständigt,
ihnen war dabei unter anderem Palästina als Mandatsgebiet zugefallen. Das war noch ein Stück alter Großmachtpolitik, und es
erwies sich bald, dass die Briten
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