Frauen, die Geschichte machten
kümmerlichem
Gefolge, auf drei Begleiter ist es geschrumpft, durchquert Messalina zu Fuß die Stadt und fährt schließlich auf einem Karren,
der sonst Gartenabfälle transportiert, dem Kaiser entgegen. Narcissus durchkreuzt ihren Plan: Er hat ein schriftliches Verzeichnis
von Messalinas Fehltritten dabei und hält es Claudius unter die Nase, wann immer der schwach zu werden droht. Der Minister
bringt es auch fertig, eine Begegnung mit den Kindern zu verhindern; mit der Priesterin, die unverschämt auftritt, wird der
Kaiser selbst fertig. Die Villa des Silius wird besetzt. Man findet dort Beweise dafür, dass Messalina angefangen hat, Wertgegenstände
aus dem ehelichen Haushalt |35| zu entfernen. Claudius, nun richtig in Fahrt, ordnet die Hinrichtung der Festgenommenen an. Messalina irrt derweil in den
Lukullischen Gärten herum, verfasst Bittschriften, tobt und wütet. Claudius, der sich betrunken hat, ist schon wieder bereit
ihr zu verzeihen, aber der treue Narcissus greift erneut ein und schickt ein Hinrichtungskommando in den Park. Messalina müsste
nun Selbstmord begehen und versucht es auch, scheitert aber. Während sie noch unschlüssig mit dem Dolch hantiert, wird sie
von einem Soldaten mit dem Schwert durchbohrt. Claudius greift daraufhin zum Becher und setzt sein Gelage fort. »Auch in den
folgenden Tagen ließ er kein Zeichen von Hass oder Freude, von Zorn oder Betrübnis, kurz von irgendeiner menschlichen Regung
merken«, schreibt Tacitus.
Der Senat ordnete an, Namen und Bilder der Messalina von privaten und öffentlichen Plätzen zu entfernen: eine so genannte
damnatio memoriae
. Messalina fiel dennoch nicht der Vergessenheit anheim. Der Nachwelt wurde sie zum Inbegriff einer launischen Despotin mit
geradezu sagenhaftem sexuellem Appetit. Die Tonart gab der Satirendichter Juvenal (um 58–138) vor: Er porträtiert die Gemahlin
des Kaisers Claudius als
meretrix Augusta
, als Kaiserin-Hure, die sich nachts davonschleicht und im Bordell die Freier bedient und davon überhaupt nicht genug kriegen
kann. Plinius der Ältere (23 oder 24 bis um 113) steuert die Geschichte bei, Messalina habe Roms beliebteste Prostituierte
zu einem Wettbewerb herausgefordert, bei dem es darum ging, wer innerhalb einer festgelegten Zeit mehr Männer aufs Lager bekommt
– und die Kaiserin habe gesiegt. Cassius Dio (3. Jahrhundert) unterstellt ihr, sie habe nicht bloß selbst »gesündigt«, sondern
in ihren Kreisen den Ehebruch gesellschaftsfähig gemacht und so eine ganze Generation von Frauen verdorben.
Das Bild der Kaiserin-Hure wurde fleißig weiter tradiert. Ende des 19. Jahrhunderts baute der italienische Arzt und Anthropologe
Cesare Lombroso darauf eine ganze Theorie der kriminellen Frau auf; an einer Porträtbüste, die Messalina zeigen soll (mittlerweile
wird die Zuordnung bestritten), glaubte er die Züge der geborenen Verbrecherin erkennen zu können (»La donna delinquente,
la prostituta e la donna normale«, 1893). Sein Landsmann und Dichter Pietro Cossa hatte die Gestalt der Intrigantin mit dem
hohen Männerverschleiß bereits zwei Jahrzehnte früher auf die Bühne gebracht, sein Drama »Messalina« (1876, Neufassung 1907)
beeinflusste die zahlreichen Verfilmungen des Stoffes, von »Messalina – der Fall einer Kaiserin« (1923) bis »Messalina – Kaiserin
und Hure« (1980), in denen das alte Rom als ein einziger Sumpf des Lasters erscheint. Diese Art der Geschichtsdarstellung
wiederum wird in der Eingangssequenz von »Fellinis Roma« (1971) karikiert: Der italienische Regisseur Federico Fellini beschwört
ein Kino-Erlebnis seiner Jugend herauf, eben einen Messalina-Film, und lässt ein paar Szenen nachspielen: Eine davon zeigt,
wie die Kaiserin, sich lustvoll im Bade räkelnd, ihre Mordbefehle erteilt; sie |36| lächelt tückisch, während die Opfer abgeführt werden; in der Arena müssen sich ihre Opfer dann gegenseitig umbringen.
Während es Messalina so zu einem wenn auch ziemlich katastrophalen Nachruhm brachte, blieb ihrer Nachfolgerin Agrippina dergleichen
erspart, obwohl sie näher an die Schalthebel der Macht gelangte als ihre Vorgängerin. Man kennt sie heute hier zu Lande noch
als Gründerin, besser gesagt Namensgeberin der Stadt Köln. Das römische Militärlager am Rhein, Agrippinas Geburtsort, wurde
im Jahr 50 erweitert und zur Kolonie erhoben und nach der Kaiserin
Colonia Agrippinensium
benannt. Der Name verkürzte sich später zu Colonia
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