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Frauen, die Geschichte machten

Titel: Frauen, die Geschichte machten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Barth
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gleichfalls verweigerten,
     griff sie auf Claudius’ Sohn zurück und drohte damit, ihn von den Prätorianern an Neros Stelle zum Imperator ausrufen zu lassen.
    Schärfer konnte die Kampfansage nicht ausfallen. Nero reagierte tückisch und brutal. Bei einem Festmahl ließ er Britannicus
     vergiften. Ungerührt sah er dem Todeskampf zu und erklärte den Gästen, der Jüngling neige zur Epilepsie und erleide gerade
     einen seiner gewohnten Anfälle. Agrippina verlor ihre Ehrenwache und durfte das Haus ihres Sohnes nicht mehr betreten. Gleichwohl
     intrigierte sie weiter, noch gab sie den Kampf nicht verloren. Unermüdlich war sie hinter den Kulissen zugange, sammelte Verbündete,
     raffte Geld zusammen. Bei einem Gelage wurden Nero die Umtriebe seiner Mutter hinterbracht. Darauf beschloss er, sie umzubringen.
     Er ließ sich jedoch von seinen Beratern beeinflussen, Agrippina noch eine Gelegenheit zur Rechtfertigung zu geben. In glänzender
     Rede wies sie alle Vorwürfe zurück, worauf Nero seine Mordpläne fürs erste vergaß. Sie kamen aber sofort wieder auf die Tagesordnung,
     als der Imperator sich in Poppaea Sabina verliebte und dafür die von seiner Mutter gestiftete Ehe mit Octavia drangab. Poppaea
     verlangte von ihm, Agrippina endgültig zu beseitigen. In dieser Situation soll laut Tacitus die Mutter, »in ihrer unbeherrschten
     Gier, ihre Machtstellung zu behaupten«, bereit gewesen sein, sich dem Sohn hinzugeben – um ihn auf diese Weise von anderen
     Frauen abzuhalten. Das will der Autor mündlichen Berichten entnommen haben, die er für glaubwürdig hält, da Agrippina durch
     die Inzest-Hochzeit mit ihrem Onkel »für jede Schandtat vorgeübt« gewesen sei. Ob etwas daran war oder nicht, die Mordpläne
     nahmen nun wieder Gestalt an. In den Kaiserbiografien des antiken Schriftstellers Sueton (um 70 bis um 140) ist nachzulesen,
     auf was für Einfälle Nero und seine Vertrauten kamen, um den Mord als Unfall zu tarnen: In Agrippinas Schlafzimmer soll durch
     eine künstliche Maschinerie die Decke zum Einsturz gebracht werden oder man will sie auf ein Schiff locken, das für ein Auseinanderbrechen
     auf hoher See präpariert ist; die Schiffs-Idee setzt sich durch. Der Kahn geht bei Baiae, einem Luxus-Kurort, auch richtig
     unter, aber Agrippina rettet sich schwimmend. Die Nachricht vom glücklichen Überleben seiner Mutter versetzt Nero in Panik,
     er sendet Soldaten ins Landhaus der Agrippina, die den Mord auf ganz herkömmliche und offene Weise begehen, mit dem Schwert.
     Der Öffentlichkeit wird eine jämmerliche Geschichte präsentiert, die dadurch nicht besser wird, dass Seneca sie formuliert:
     Man habe Beweise, dass Agrippina ihrerseits geplant habe, Nero einen Mörder ins Haus zu schicken; nach dessen Entlarvung habe
     sie Selbstmord begangen. Tacitus fügt |40| seiner Darstellung des Muttermordes im Jahr 59 noch ein bezeichnendes Detail hinzu: Dem Zenturionen, der, das Schwert in der
     Faust, auf sie zutrat, habe Agrippina ihren Schoß entgegengestreckt und ihn aufgefordert, dort hinein zu stoßen, in den Schoß,
     der Nero geboren …
    Der Auftraggeber und Nutznießer der Tat spielte eine Weile den Leidtragenden und tat, als ob er den Tod seiner Mutter beweine.
     In die Hauptstadt traute er sich allerdings erst zurück, als er sicher sein konnte, dass es keine Unruhen geben werde. Fortan
     kannte er keine Bedenken mehr zu tun, was ihm beliebte, und sich vollständig seinen Launen hinzugeben, ob es nun darum ging,
     als Sänger aufzutreten oder tatsächliche und vermeintliche Gegner, auch in der eigenen Familie, mit Mord, politischen Prozessen
     und Hinrichtungen aus dem Weg räumen zu lassen. Seine Schreckensherrschaft, unvergesslich durch den Brand Roms und die blutigen
     Christenverfolgungen, dauerte bis ins Jahr 68, dann zwang ihn eine Rebellion der Armee, Selbstmord zu begehen.
    Poppaea übrigens, die ihn zum Mord an seiner Mutter Agrippina angestiftet hatte, sollte wenig davon haben. Zwar heiratete
     sie Nero im Jahr 62, nachdem er sich von Octavia hatte scheiden lassen, und sie bekam auch ein Kind von ihm, das jedoch nur
     wenige Monate lebte. Während einer erneuten Schwangerschaft ereignete es sich, dass Nero verspätet von einem Wagenrennen nach
     Hause zurückkehrte. Poppaea, leidend, machte ihm deswegen Vorwürfe. Nero geriet in Wut und trat seine Gattin in den Bauch.
     Sie starb an den Folgen der Misshandlung.

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Galla Placidia
    Die umgetriebene Kaisertochter

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