Frauen sind auch nur Männer (German Edition)
Jahrzehnten von Ringelnatz leider nichts gelernt. Verbrannte Erde! Verbrannte Handschuhe! Jetzt stehe ich da mit einer Kollektion diverser rechter und linker, verschieden aussehender, verschiedenfarbiger Handschuhe, teils aus Wild-, teils aus Schweinsleder, und komme mir vor wie ein einarmiger Bandit. Alles Gute!
8 . Januar 2011
Das Schweigen der Wahl-Lämmer
Den Liberalismus in seinem Lauf halten weder Trittin noch Gysi auf. Oder: Wie die FDP ihr Problem zum Tabu macht
Ich habe mir, von Berufs wegen und auch sonst, den Dreikönigstag der Freien Demokraten in Stuttgart live im Fernsehen zugeführt – was tut man nicht alles, wenn man auf der Suche nach einer Glosse ist?
Ich will hier jetzt nicht den Redestil von Herrn Westerwelle mit dem von seinem Generalsekretär Christian Lindner vergleichen und wer besser war und tosenderen Beifall bekommen hat. Ich gebe zu, dass ich mich über die vorauseilende Überschrift in der » FAZ « gefreut habe, die da hieß: »Westerwelle in der entscheidenden Phrase«, und so habe ich geduldig zugehört. Und es wurde ja auch viel Kluges, Beherzigenswertes und Vernünftiges gesagt, so wenn beispielsweise der Stuttgarter Spitzenkandidat Ulrich Goll in einer Spitze gegen die Grünen sagte, sie wollten ihre Wähler mitnehmen, und fragte: »Hätten Sie es gern, wenn Ihr Kind auf der Straße mitgenommen würde« – womöglich von einem fremden Mitschnacker?
Und mir ist dann auch noch das ebenso grüne Wort eingefallen, man wolle die Wähler »abholen«, wobei mir als altem Mann bei den Begriffen »abholen« und »mitnehmen« immer eher die Gestapo oder die Stasi einfallen, die einen bei Nacht und Nebel mitgenommen oder abgeholt haben. Sei’s drum. Vor Claudia Roth hätte ich auch um Mitternacht keine Angst, wenn sie als rotblonder Leuchtturm auftauchte, um mich zu einer Diskussion abzuholen.
Nein. Mir ist, als ich Westerwelle und Co. lauschte, einmal ein Sprichwort eingefallen, und das heißt: »Im Haus des Gehenkten spricht man nicht vom Strick.« Und zweitens ein Interview-Ausspruch von Kubicki, den in einem »Spiegel«-Gespräch der Zustand der FDP um die Weihnachtszeit an das Ende der DDR erinnerte. Sie erinnern sich? »Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf.« Jetzt: Den Liberalismus in seinem Lauf halten weder Trittin noch Gysi auf. Obwohl wir wochenlang mit dem Dilemma konfrontiert sind, dass die FDP um die vier Prozent dahinsiecht, und das ausdrücklich wegen Westerwelle.
Die Umfragekurven sehen aus wie aus einer Arztserie (»Dr. House« etwa), wo nach heftigem Auf-und-ab-Schwingen die Linie endgültig lang am Boden flach dahinläuft. Exitus, denken die Ärzte, und der Chefarzt versucht sich zur Mund-zu-Mund-Beatmung mit seiner Assistentin zu retten, weil der Patient ohnehin schon tot ist. Lange Rede, kurzer Sinn: Nicht einmal Thema der Rede war dieses Alarmsignal. Nicht einmal auch nur andeutungsweise, dass der Vorsitzende das Problem der Partei sein könne. Es war der perfekte Double-Speech, ohne dass ein Gorbatschow dazwischenrief: »Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.«
15 . Januar 2011
Auf nach Kötzschenbroda
»Ist hier noch Platz in diesem Zug?« Eine vielbesungene Expressfahrt ins sächsische Posemuckel und die Bahnprobleme von heute
Über den spektakulären Mauersprung Udo Lindenbergs gibt es jetzt ein Musical. Fast wäre die Reise nach Ostberlin im Jahr ’ 83 geplatzt, weil Lindenberg vorher den »Sonderzug nach Pankow« geschrieben und gesungen hat, in dem er Honecker als »Honi« besingt. Die Melodie geht auf den Glenn-Miller-Titel »Chattanooga Choo Choo« aus den vierziger Jahren zurück, allerdings vermute ich – und bin mir dabei ziemlich sicher –, dass Lindenberg sein Lied dem Kötzschenbroda-Express als aktuelle DDR -Version nachempfunden hat. Der »Kötzschenbroda-Express« ist von 1947 und geht so: »›Verzeihn Sie, mein Herr, fährt dieser Zug nach Kötzschenbroda?‹/›Er schafft’s vielleicht, wenn’s mit der Kohle noch reicht.‹/›Ist hier noch Platz in diesem Zug nach Kötzschenbroda?‹/›Das ist nicht schwer, wer nicht mehr stehn kann, liegt quer.‹/Ja, für Geübte ist das Reisen heute gar kein Problem./Auf dem Puffer oder Trittbrett steht man bequem./Und dich trifft kein Fußtritt, fährst du auf dem Dach mit./Obendrein bekommst du dort noch frische Luft mit!/Morgens fährt der Zug an Papestraße vorbei,/Mittags ist die Fahrt nach Halensee noch nicht frei./Nachts in Wusterhausen lässt du
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