Frauen sind auch nur Männer (German Edition)
öffnete mir auch die Tür zu einem großen Interview mit dem Regisseur Steven Spielberg, und bei der Gelegenheit besuchte ich auch Billy Wilder, der mir erzählte, dass er, obwohl »alter Filmhase«, von dem Film so bewegt war, dass er vermeinte, seine Großmutter und Mutter (die in Auschwitz umgebracht worden waren) in den KZ -Szenen leibhaftig entdeckt zu haben.
Er gab mir seinen Briefwechsel mit Spielberg, wo er dessen humane Leistung mit dem jiddischen Wort »mensch« in seinem englischen Brief rühmte. Paradox, dass dieses Wort im Zusammenhang mit den schrecklichen, unmenschlichen Verbrechen fiel.
Nach der Frankfurter Premiere von »Schindlers Liste« 1994 saß ich mit Reich-Ranicki, meiner und seiner Frau lange zusammen, und er erzählte zum ersten Mal, bewegt durch den Film, von seinen Erlebnissen im Warschauer Ghetto. »Das musst du aufschreiben«, sagten meine Frau und ich zu ihm. »Das sage ich ihm schon seit Jahren«, sagte seine (inzwischen verstorbene) Frau Tosia.
Fünf Jahre darauf erschien Reich-Ranickis Biographie »Mein Leben« – ein bewegender Welterfolg. Auch dieses Leben ist inzwischen ein (Fernseh-)Film. Auch dies das Zeugnis eines durch unmenschliches Leid geprüften Philanthropen.
27 . April 2013
Fußball besiegt die Literatur
Lesungen finden bisweilen zum ganz falschen Termin statt
Lesereisen muss man lange im Voraus planen. Wie Hochzeiten. Als meine Tochter im letzten Jahr ihre Hochzeit für dieses Jahr in Bayern plante, fragte sie mich, ob das eventuell mit der Meisterschaft der Bayern, mit dem Pokal- oder dem Champions-League-Sieg der Bayern zusammenfallen könnte. Ich sagte: »Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Die Bayern gewinnen nächstes Jahr nichts.« Man sieht, ich bewerbe mich mit dieser Glosse weder als Fußballexperte noch als Fußballprophet. Deshalb hatte ich auch kein Problem, als ich im letzten Jahr für Dienstag, den 23 . April, in Schwäbisch Hall eine Lesung für mein neues Buch »Auf Reisen« einplante. Was sollte mir da schon passieren?
Auf einmal war meine Woche von zwei Mega-Ereignissen des Fußballs überschattet. Bayern spielte gegen Barcelona in München, und ich sollte in Schwäbisch Hall aus meinem Buch lesen. Ich hatte bei Lesungen schon mein Waterloo erlebt, als während eines Champions-League-Spiels in den neunziger Jahren in Eisenach ganze acht Zuhörer kamen. Fünf davon waren Journalisten, der Rest glücklicherweise Frauen. Die Journalisten guckten mich hasserfüllt an, weil sie meinetwegen auf das Spiel verzichtet hatten. »Wegen dir, du A…loch, müssen wir hier bei deiner Lesung sitzen«, signalisierten sie mir. Ich hätte ihnen gerne zurücksignalisiert: »Ich würde auch lieber Fußball sehen, als mir zuzuhören.« Nun war ich in derselben Situation. Und das in Schwäbisch Hall. Ängstlich rief ich am Nachmittag bei der Buchhandlung an, und die sagte, es sei nicht so schlimm. Ein Ehepaar sei gekommen, und die Frau habe eine Karte abbestellen wollen, weil ihr Mann zu Hause bleiben wollte. Darauf hatte die Buchhändlerin gesagt, Bayern wird nur bei Sky übertragen, und so kam der Mann mit zu meiner Lesung.
Am Tag darauf, als Dortmund Real Madrid 4 : 1 schlagen sollte, war der Ernstfall in Heilbronn. Doch in der Buchhandlung waren zweihundert Zuhörer, die keinen Fußball sehen wollten. Den Lewandowski-Triumph sahen wir in der Schlussphase gemeinsam im Hotel. Ich war mit einem blauen Auge davongekommen. Sollte es ein Endspiel Dortmund gegen Bayern geben, würde ich an diesem Abend jede Lesung und jede Hochzeit einer Tochter absagen. Doch da ist inzwischen vorgesorgt.
18 . Mai 2013
Der Durst des Dichters
Wie Bertolt Brecht als Bayer in der DDR am Bier litt. Erinnerungen beim Pils in einer lauen Dresdner Frühlingsnacht
Mitte vergangener Woche war ich in Dresden, und es war der Tag, an dem Deutschland (meteorologisch) zweigeteilt war. Im Westen, also Aachen, klamme 11 Grad, und im Osten fiel mit machtvollen 25 Grad das Frühjahr mit einem Canaletto-blauen Himmel über das Elbflorenz her und verwandelte am Abend in seidig lauer Luft die Stadt in einen einzigen Biergarten.
Ich saß gegenüber der Frauenkirche und ließ den ersten Schluck eines Radeberger Bieres über die Kehle zischen. Es ist das Bier, für das die Semperoper mit ihrem prachtvollen Barock im Fernsehen wirbt. Und es war die Woche, in der die Kanzlerin Merkel angesichts ihres Lieblingsfilms, der »Legende von Paul und Paula«, sich des Pfarrhauses ihrer Eltern im
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