Frauen wollen reden, Männer Sex: Wie verschieden sind wir wirklich, Herr Buschbaum? (German Edition)
erahnen, welch mühsame Wanderschaft die nächsten Tage auf uns zukommen wird.
Von Tag zu Tag wandern wir tiefer in dieses Dünenmeer hinein, bis es uns gänzlich verschlingt. Es umschließt uns mit seinen gewaltigen Armen und lenkt unsere Blicke schließlich empor zu der höchsten Düne dieser Landschaft. Am Fuße dieser Urgewalt schlagen wir unser Nachtlager auf. Gemeinsam mit den mitgereisten Männern entscheide ich, den Aufstieg auf diese Höhengewalt zu wagen. Über eine Strecke von mehr als einhundert Metern fordert sie unseren ganzen Willen und viel Schweiß. Ich spüre meine brennenden Füße, meine erschöpften Waden und Oberschenkel. Aber das geheime Rennen, das wir wortlos unter uns abgeschlossen haben, will ich um keinen Preis verlieren! Nahezu zeitgleich und völlig außer Atem kommen wir auf der Spitze an und lassen uns erschöpft, doch zufrieden fallen, um den Sonnenuntergang am Horizont zu erwarten. Wir sprechen kein einziges Wort. Erst als der Abstieg beginnt, lassen wir unserer Energie freien Lauf und springen über den Abhang, erfreuen uns an unseren Purzelbäumen und Überschlägen und rasen die letzten Meter quietschend und vor Freude jauchzend die steilen Sandwände hinab.
Es ist so schnell Nacht geworden, dass wir Mühe haben, unser Lager zu finden. Zum Glück halten die anderen mit ihren Stirnlampen Ausschau nach uns. Wir registrieren ihre Signale und stürmen ihnen, die Kälte der Wüste unter unseren nackten Füßen spürend, entgegen. So verbringen wir die Tage und Nächte in der Wüste und erfinden immer wieder neue Herausforderungen, die uns in unserem Tatendrang kitzeln. Nach dem Abendessen erzählen wir uns von unseren Eindrücken und lesen uns gegenseitig etwas vor. Wir lachen zusammen und spüren, wie die Last des Lebens von unseren Schultern fällt. In der Wüste ist man einfach – ohne jemand sein zu müssen! In der Wüste ist man glücklich.
Am letzten Morgen mache ich mich schon sehr früh auf, um das klare Morgenlicht zum Fotografieren zu nutzen. Ich streife durch die Gegend und sehe einen kleinen Grashalm, der aus dem Sand herausragt. Er ist ungefähr zwanzig Zentimeter lang und gibt sich bedenkenlos dem Wind hin. Ich stelle mir vor, wie er mit sich und seiner Umwelt spielt, wie er liebestrunken von einer Seite zur anderen taumelt, wie er sich hingibt ohne Erwartung und ohne Angst. Der Grashalm folgt dem Wind. Hätte er das Bedürfnis, allem standzuhalten, dann müsste er bei stärkerem Wind irgendwann kapitulieren und brechen. Dann trüge der Wind ihn fort in ein anderes Leben, in eine andere Form. Der Grashalm aber ist stärker als jeder Felsen, weil er geschmeidig ist, weil er gelernt hat, sich flexibel an alles, was kommt, anzupassen, ohne dabei sich selbst zu verlieren.
Den Abschlussabend verbringen wir alle zusammen und zünden ein großes Feuer an. Wir singen, trommeln auf Wasserkanistern und tanzen ausgelassen. Der nächste Morgen naht, und uns allen fällt der Abschied aus der Reinheit des Sandes schwer. Wir wandern unserem Treffpunkt entgegen, wo die beiden Geländewagen auf uns warten. Wir hinterlassen wie bei unserer Ankunft nicht mehr als aufgewirbelten Sand. Ich weiß felsen-, nein grashalmfest, dass die Erfahrungen dieser persönlichen Reise auch dann noch Bestand haben werden, wenn der aufgewirbelte Staub sich schon längst wieder gelegt hat. Vielleicht wird jeder von uns ein Sandkorn in seinem Herz tragen, dessen Magie er ein Leben lang spüren wird.
Mein Schlafsack hängt zum Auslüften über dem Balkongeländer. Normalerweise lüftet man Dinge aus, damit ihr schlechter Geruch entweicht und frische Luft an sie herankommt. Heute wünsche ich, diesen Austausch umkehren zu können. Der reiche Wüstenduft soll nicht deshalb entweichen, weil er verbrauchte Luft in sich trägt, sondern damit er die Eindrücke der letzten zehn Wüsten-Tage in die Welt hinaus verströmt. Die Wüste atmet eben anders. Sie paart sich mit dem Wind, der Sonne, den Sternen, dem Mond. Sie ist mit Gedanken und Eindrücken geschwängert, die von Augenblicken erzählen, die so einzigartig, so verspielt und natürlich sind, dass man selbst gar nicht anders kann, als sie anzunehmen. Die Wüste präsentiert uns alles, was wir schon längst in uns tragen: verspielte Täler, ausgetrocknete Seen, fruchtbare Oasen und mächtige Dünen, deren Höhen uns immer weiter zu uns selbst führen.
Ich schüttle meinen Schlafsack ein letztes Mal aus. Ich vermisse den Ort des Duftes, den er mir jetzt
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