Frauenversteher
sein. Seid Ihr es Scherge?« Suchend und mit leicht geblähten Nasenflügeln richtet der König sein Riechorgan in Ihre Richtung, um kopfschüttelnd festzustellen, dass die Quelle der Ausdünstungen woanders liegen muss. Ein wenig zweifelnd schnuppert er an seiner selbst, um abschließend bass erstaunt festzustellen: »Scherge, wir bestuhlten uns! Er möge uns schleunigst säubern!«
Sie sehen hier einen weiteren Beleg für die im Abschnitt »Der kleine König – Kommunikation im Säuglingsalter« geschilderte Pflegebedürftigkeit des jungen Regenten. Sie wechseln fließend die Rolle vom Hofnarren zum Pflegepersonal und säubern des Königs Allerwertesten auf das Gründlichste. Um die Trocknung der empfindlichen Haut besonders angenehm zu gestalten, verwenden nicht wenige Väter die wohlig erwärmte Luft eines Föhns. Dabei kann es sein, dass seine Majestät abermals vom Schlaf übermannt wird und Sie nach fachgerechter Säuberung und Bettung des Königs ebenfalls eine erneute Zeit der Ruhe finden.
Allerdings werden Sie mit großer Sicherheit um circa kurz nach sechs Uhr erneut von enervierendem Geschrei geweckt, welches in seiner von Leid durchdrungenen, leicht jauligen Art auf den großen morgendlichen Hunger des Königs hinweist. Jetzt können Sie ihm aber nicht eben schnell ein Butterbrot, eine Stulle oder eine Brotzeit bereiten. Nein, seine Majestät benötigt eine hochexklusive, eigens nur für ihn zubereitete Spezialnahrung, die sehr teuer ist. Diese Babynahrung muss darüber hinaus im Wasserbad erhitzt werden. Sie können das Zeug nicht mal kurz in der Pfanne anbraten, da bekämen Sie mächtig Ärger von des Königs Milchmagd, seine Gouvernante und die Vorsteherin des Gesindes in Personalunion.
Erkennen Sie an dieser Stelle die Tragweite der hier vorherrschenden Dekadenz? Sogar das Essen des Königs bekommt
eine eigene Badewanne! Die Erhitzung der königlichen Nahrung geht nicht innerhalb von Sekunden, das dauert eine Weile, während derer sich seine Majestät dazu befleißigt sieht, Ihre von Schlafmangel strapazierten und übersensibilisierten Gehörorgane weiter mit jammernder Unzufriedenheit zu malträtieren: »Wo bleibt unser Essen? Will er uns darben lassen in siechender Hungersnot? Grausamer Scherge! Elendes Gesinde! Wir bedürfen der sofortigen Nahrungszufuhr!«
Aufgrund dieser sich ständig steigernden Panik verkürzen Sie die Erhitzung und wandeln sich zum Vorkoster des Königs, Sie müssen testen, ob die Nahrung ungleichmäßig erhitzt wurde oder für des Königs Gaumen unangenehme Überraschungen bereithält. Hiernach sind Sie selbstverständlich für die mundgerechte Fütterung zuständig, denn selbst die einfache Handhabung eines kleinen Löffels ist für den König in dieser Phase seiner Pflegebedürftigkeit ein absolut aussichtsloses Unterfangen. Selbst simpelste Auge-Hand-Koordinationen erfordern des Königs vollste Aufmerksamkeit und gelingen überaus selten, meist enden solche Versuche in Chaos, Selbstbeschmutzung, Sachbeschädigung, oder es besteht die Gefahr, dass sich der König selbst verletzt. Er ist mitunter eine Gefahr für sich selbst und andere, gerade auch bei so alltäglichen Aufgaben wie der Benutzung von Messer und Gabel. Bei der Fütterung des Königs sollten Sie sich einmal filmen lassen. Sie werden erstaunt sein, wie selten dämlich Sie den Mund vor jedem weiteren Löffel, den Sie dem Kinde hinführen, öffnen, obwohl nicht Sie, sondern das Kind isst.
Sobald seine Majestät ungefähr zwei Drittel der zubereiteten Mahlzeit verzehrt hat, hält er mit gerunzelter Stirn inne und lässt Sie wissen: »So haltet ein, Scherge, pausiert die Nahrungszufuhr, denn Völle überkommt uns. Zur Verdauung möge er uns nun ein wenig schuckeln.« Bedenken Sie an dieser Stelle, dass Sie weiter unter akutem Schlafmangel leiden und die Umgebung nur noch wie durch einen Schleier wahrnehmen. Aber Sie sind weisungsgebunden, vergessen Sie das nicht. So nehmen Sie denn den kleinen König auf die
Schulter und schuckeln ihn ein wenig durch die Wohnung, wobei Sie ganz leicht über seinen Rücken streichen oder ein wenig klopfen. Während dieser Schuckelei reflektiert Majestät noch einmal über die zubereitete Mahlzeit und kommt dabei zu dem Ergebnis, dass diese nicht optimal temperiert war. Das Wasserbad hätte offensichtlich noch länger auf die Nahrung wirken müssen. So denkt er dann bei sich: »Wohlan, Scherge, dies war nicht Eure beste Kochkunst. Wir denken, da ist eine kleine Belehrung
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