Frauenversteher
Eltern Glück haben, Sie können aber auch Pech haben, und der Nachwuchs lässt sich bis zum Ende der Nestpflege weiter mit All-inclusive-Vollversorgung umhegen.
Besonders anstrengend ist die Zeit, in der ein Kind sich noch in Pflegestufe III+ befindet. Da muss es von morgens bis abends umsorgt, gepflegt und betreut werden. Immer muss alles sofort passieren, das ganze Leben dreht sich nur noch um das Kind, es verlangt immerzu nach Aufmerksamkeit und Fürsorge. Ohne ein Wort des Dankes kreisen Babys in ihrer absolut egozentrischen Weltanschauung. Sie tun nichts selbst und verlangen wie selbstverständlich, dass man sich um sie kümmert. Sie zeigen eine geradezu mittelalterlich hochherrschaftliche Attitüde im Umgang mit den ihnen nahestehenden Personen. Das kann wirklich anstrengend sein. Besonders nachts.
Schauen wir uns die Situation doch einmal etwas genauer an, nur damit Sie nachher nicht sagen: »Oh, das habe ich mir anders vorgestellt.« Nehmen wir einfach mal an, Sie hätten einen Säugling, der ungefähr vier bis fünf Monate alt ist. Sie sind mit den engsten Familienangehörigen bei sich zu Hause und es ist halb zwei in der Nacht an einem Mittwoch.
Eigentlich ist die Wahl des Wochentages beliebig, da sich Kinder in diesem Alter noch nicht an Wochenenden, Feiertagen oder sonstigen Ruhetagen orientieren. Im Gegenteil hat man oft den Eindruck, dass sie ihr Verhalten bar jeder räumlichen und zeitlichen Orientierung sehr spontan zum Ausdruck bringen. Wir nehmen einen Mittwoch, um eine alltägliche Situation zu beschreiben. Halb zwei nachts ist insofern eine unangenehme Zeit, weil Sie selbst schon richtig tief eingeschlafen sind, Sie hatten einen anstrengenden Arbeitstag und müssen früh am Morgen wieder zur Arbeit.
Das Haus, die Wohnung liegt in nächtlicher Stille. Die Familie schläft den Schlaf der Gerechten, tief und erholsam. Die Nacht ist ruhig (noch), und nur ein Käuzchen ruft verhalten in die von Kontemplation erfüllte Stille. Doch was geschieht dann? Seine Majestät Baby erwacht. In den eigens für ihn eingerichteten, königlichen Schlafgemächern häufen sich Kleidungsstücke und Gerätschaften der Kurzweil (Spielzeug), die nur für ihn angeschafft wurden und niemandem außer dem König selbst von Nutzen sind.
Seine Hochwohlgeboren blinzelt zunächst ein wenig unsicher in die ihn umgebende Dunkelheit hinein. Möglicherweise richtet er sich sogar schon ein wenig im Bette auf, schaut sich genauer um und denkt dann bei sich: »Wohlan, welch Dunkelheit umgibt uns? Horch! Kein gar lustiges Stimmengewirr klingt an unser königliches Gehör. Hm, hat sich unser Hofstaat etwa unerlaubt zur Ruhe gebettet?« Nach einigen Momenten ungläubiger Fassungslosigkeit ob der Insubordination des ihm unterstellten Personals gewinnt der kleine König seine volle Stärke zurück und ruft in die Nacht hinein: »Hallo? Milchmagd?! Wo ist denn die warme, weiche Frau mit den leckeren Hauttaschen?« Oder falls er etwas anderes will: »Hofnarr? Scherge? Wo ist mein säumiger Kammerdiener?«
Seine Majestät beginnt also, deutlich vernehmbar zu rufen. Sie liegen wohlig in Daunen gebettet neben Ihrer Partnerin, erwachen bei diesem hochfrequenten Geschrei aus dem Schlaf, blinzeln auf die Leuchtanzeige Ihrer Schlafzimmeruhr und stöhnen innerlich: »Oh, nein! Halb zwei. Ach, der beruhigt sich schon wieder.« Nein! Dessen können Sie sich sicher sein: Der beruhigt sich nicht. Ganz im Gegenteil, wenn Sie nicht sofort vor des Königs Bette Gewehr bei Fuß stehen, dann wird der Kleine richtig sauer. Majestät ist es nämlich nicht gewohnt zu warten. Wenn nicht alles zack, zack sofort passiert, dann wird der richtig sauer, dann wird er glatt cholerisch, dann ist Majestät »not amused«, verstehen Sie? Dann hören Sie auf einmal ein Fortissimo von: »Scherge! Herbei, aber zack, zack!« Glauben Sie mir, dann springen Sie aus dem Bett, eilen pflichtschuldigst in die königlichen Schlafgemächer, neigen demütig das Haupt und fragen den erbosten Potentaten untergebenst: »Seine Majestät haben gerufen?« Dieser jedoch wird sich so einfach nicht milde stimmen lassen. »Ja sicher, Herrgott noch mal, man schreit sich hier die Lunge aus dem Hals! Das Personal ist auch nicht mehr das, was es anfangs versprochen hatte.« Sie nähern sich derweil buckelnd des Königs Bett, um kleinlaut nach den Beweggründen des Herrschers zu fragen: »Was ist Euer Begehr zu später Stunde, oh Großmächtiger?«
»Nun, Scherge, wir ließen Euch rufen
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