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Freddy - Fremde Orte - Blick

Freddy - Fremde Orte - Blick

Titel: Freddy - Fremde Orte - Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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gab es sofort an Melanie weiter, die es nach einigen Versuchen aufbekam. Der Fund konnte sie nicht überraschen: auch hier ein Bild aus dem Super-8-Film.
    „Ich verstehe allmählich, worum es in dem Streit ging“, meinte Melanie. „Takase muss angefangen haben, den Film zu zerschneiden. Sie benutzen die beiden Einzelbilder wie manche katholische Gläubige die Reliquien der Heiligen.“
    „Die Talismane brachten ihnen aber kein Glück“, bemerkte Madoka trocken.
    Melanie betrachtete die beiden winzigen Zelluloidstückchen mit Faszination. „Was bedeutet das für den Film?“, dachte sie laut nach.
    „Das ist die erste Frage“, sagte Madoka. „Und die zweite lautet: Wenn es eine Macht gibt, die ein Interesse an dem Film hat – warum hat sie dann nicht verhindert, dass Takase ihn beschädigt?“
    „Vielleicht, weil die schwarzen Schatten gar nicht existieren …“
    „Oder weil sie ganz andere Pläne haben, als wir uns vorstellen können.“
    In die auf Deutsch geführte Unterhaltung hinein kreischte Frau Takase in japanischer Sprache: „Das können Sie nicht tun! Das gehört uns – wir rufen die Polizei!“
    Madoka meinte gelassen zu Melanie: „Mein Gefühl sagt mir, dass die beiden kein Interesse haben, der Polizei zu verraten, was sie da für Schätze bei sich trugen. Es würde die Dinge noch komplizierter machen – für alle Beteiligten …“
    Melanie nickte, und sie verließen das Haus.

5
    Die ganze Sache hatte von Anfang an unter keinem guten Stern gestanden. Man hatte einen grundlegend falschen Ansatz gehabt. Miuras Idee war die eines naiven Kindes gewesen, eines steinreichen Sammlers eben, der in seinem Leben nie etwas anderes getan hatte als teures Geld für wertlose Dinge auszugeben und jeden Tag beim Aufstehen festzustellen, dass er noch mehr davon wollte.
    Irgendeinen Techniker zu engagieren und ihm diesen Film anzuvertrauen, war die erste Dummheit gewesen. Das war, als würde man das Turiner Grabtuch einem Weber schenken, oder Yatakagami , den heiligen Spiegel des Shintô, einer Revuetänzerin zum Schminken in die Hand drücken. Dass Takase mit dem Film von vornherein nicht besonders sorgfältig umging, ließ erahnen, dass er irgendwann damit beginnen würde, ihn zu zerschneiden. Jetzt hatte der Alkoholiker tatsächlich Einzelbilder vom Anfang des Films herausgeschnitten! Vermutlich hatte er versucht, die Bilder zu verkaufen, um etwas mehr Geld aus der Sache herauszuschlagen. Miura verschloss immer mehr die Augen vor dieser unvorstellbaren Angelegenheit. Sie war ihm zu groß geworden. Das unreife Kind, das er war, konnte nicht mehr damit umgehen, ließ die Zügel fahren.
    Dr. Fumio Andô war von Anfang an dagegen gewesen, Hand an den Film zu legen. Doch niemand hörte auf ihn. Als Psychiater war sein Aufgabenbereich klar umrissen: Er sollte lediglich dafür sorgen, dass die im Film gefangenen Menschen nicht den Verstand verloren, wenn sie ihre Situation erkannten und mit ihnen in Kontakt traten – eine lächerliche Vorstellung, dass er überhaupt dazu in der Lage sein würde, sie in irgendeiner Weise zu beeinflussen! Er sprach noch nicht einmal Deutsch, wie sollte er sie da therapieren?
    Mehrmals hatte Andô die beiden inständig darum gebeten, sich dem Film auf andere Weise zu nähern. Takases gefährliche technische Spielereien mussten aufhören. Es gab andere Möglichkeiten, dieses Phänomen anzugehen. Andô hätte es mit Meditation versucht, mit Hypnose und Selbsthypnose, vielleicht sogar mit einer Art Gebet, mit weichen Methoden – wenn man ihn nur gelassen hätte. Doch von Anfang an hatte Miura, dieser einfältige Narr, Takase mehr Vertrauen geschenkt als ihm. Es war immer dasselbe. Die Menschen fürchteten sich vor Psychologen und Psychiatern und misstrauten ihnen. Sie fühlten sich von ihnen beobachtet, auseinandergenommen und hinters Licht geführt.
    Dass seit einigen Monaten seltsame Erscheinungen auftauchten, wenn sie mit dem Film zugange waren, wertete Andô als Beweis, dass er mit seinen Befürchtungen recht hatte. Sie taten hier etwas grundsätzlich Falsches! Er wusste nicht, wer oder was diese schwarzen Schatten waren, die bisweilen über die Wände zu zucken schienen oder für Sekundenbruchteile hinter den Fensterscheiben zu sehen waren. Aber er nahm sie wenigstens wahr und machte sich seine Gedanken darüber.
    Miura wollte nicht an sie glauben. Er verlangte von Andô, dass er die Schemen als Hirngespinste interpretierte, sie einfach wegerklärte. Miura, dem die Sache an

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