Freddy - Fremde Orte - Blick
von der Hand zu weisen.
„Frag ihn, warum sie sich gestritten haben“, bat Melanie. Doch als Madoka es tat, blieb Takase stumm.
„Es ging um die Experimente, nicht wahr?“, drang Madoka weiter vor. „Sie brauchen nicht zu denken, wir würden nicht verstehen. Wir wissen von dem Film und von der Macht, die in ihm steckt.“
„Ich kann mich nicht erinnern“, behauptete Takase. „Ein Film?“ Nach wie vor hielt er seinen Blick abgewandt. Vielleicht sprach er die Wahrheit und hatte wirklich seine Erinnerung verloren.
„Sie wussten nicht, was sie wollten“, brachte Frau Takase nach einer Weile hervor. „Miura sagte dies, und der Doktor sagte das, und immer war es nicht recht.“ Ihr Mann warf ihr einen strengen Blick zu, doch der Zorn, der sich für einen Moment auf seine Miene kämpfte, verschwand sofort wieder, und die Apathie kehrte zurück. Er sah sich um, kroch auf ein abgegriffenes Schränkchen zu, wuchtete die klemmende Tür auf und nahm mit zitternden Hände eine neue Flasche heraus.
„Worüber gab es Meinungsverschiedenheiten?“, hakte Madoka nach. „Es ist wichtig, dass wir das verstehen.“
„Wichtig?“ Frau Takase starrte desillusioniert ins Leere und lachte kurz auf. „Wichtig … Ja, es ist alles so wichtig … außer uns natürlich … wir sind nicht wichtig …“
„Vielleicht können wir dafür sorgen, dass Sie wichtig werden“, sagte Madoka. „Wir haben Mittel, Miura-san unter Druck zu setzen. Und auch Dr. Andô hört auf mich.“ Beides war schlichtweg gelogen, aber sie musste pokern, um die verbitterte Frau aus der Reserve zu locken.
Doch Madoka war keine charismatische Persönlichkeit. „Sie sind nicht aufrichtig“, durchschaute Frau Takase sie sofort. Nervös griff die Frau nach dem Medaillon, das sie um den Hals trug. Eine Geste, die Madoka mehrmals hatte beobachten können, seit sie hier waren. Eine Angewohnheit? Oder hatte die Kette eine besondere Bedeutung für sie? War es ein Erinnerungsstück, das sie mit einem bedeutenden Ereignis in der Vergangenheit verband?
„Es ist zum Öffnen“, flüsterte Melanie auf Deutsch. „Es hat einen Verschluss.“
Madoka sah es auch. Das Blumenmuster, das es zierte, sagte ihr nichts. Es schien keine tiefere Bedeutung zu haben. Aber vielleicht befand sich das Essentielle ja im Inneren des Schmuckstücks.
„Los!“, forderte Melanie sie auf. „Du bist doch sonst nicht so zartbesaitet.“
Madoka griff blitzschnell zu. Ihre Hand schoss auf das Medaillon zu, als die Frau es für einen Moment losließ, entriss es ihr und betätigte dann den Verschluss. Etwas Kleines, Unscheinbares fiel aus dem winzigen Hohlraum in ihre Hand. Ehe Frau Takase sich aufregen konnte, hatte Madoka es schon an sich genommen.
„Was fällt Ihnen ein! Geben Sie das zurück! Sie gemeine Diebin!“
Madoka hielt das Objekt in der geschlossenen Faust. „Sagen Sie mir, was es ist, und Sie erhalten es zurück“, erklärte sie ruhig.
Frau Takase warf sich auf sie, doch Madoka befreite sich ohne jede Mühe. Herr Takase saß die ganze Zeit über nur da und griff nicht ein.
Madoka stand auf und öffnete ihre Finger. Frau Takase kauerte auf dem Boden und stöhnte. Madoka war sicher, ihr nicht wehgetan zu haben. In dem Medaillon war ein kleines Stück Kunststoff verborgen gewesen – genauer gesagt ein Stück Zelluloid, acht Millimeter breit zuzüglich des Randes mit der charakteristischen Filmperforation. Sie hielt es gegen das Licht und kniff ein Auge zu. Das winzige Bild zeigte eine Naturaufnahme, eine Wiese und Bäume, und dazwischen, wenn sie es recht erkannte, eine Gruppe junger Leute.
Sie reichte das Zelluloid vorsichtig an Melanie weiter und stellte sich schützend vor sie, für den Fall, dass ein weiterer Angriff erfolgen würde. „Das kann nur ein Bild aus dem Film sein“, stellte Melanie fest.
In der Zwischenzeit war Madoka aufgefallen, dass Takase etwas in der Linken verbarg, in der er kein Glas hielt. Mit einer Brutalität, die Melanie erschreckte, entwand sie dem Mann den Gegenstand. Takase wollte das dickwandige Whiskyglas an ihrem Kopf zerschlagen, doch Madoka hatte die Bewegung seines zitternden Arms längst vorausgeahnt und ihm das Glas mit einem heftigen Stoß ihres Ellbogens aus der Hand geschlagen. Es prallte gegen die mit Papier bespannte Tür des Wandschranks und riss ein Loch hinein. Im Zimmer roch es nach Alkohol, als der Inhalt auslief.
Auch diesmal handelte es sich um eine Art Medaillon. Es ließ sich schwerer öffnen, und Madoka
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