Freddy - Fremde Orte - Blick
– anscheinend war es aus dem oberen Stockwerk durch die Decke gebrochen und herabgefallen.
Melanie und Madoka sahen sich an, zum ersten Mal, seit sie die Garküche verlassen hatten.
„Ich schätze, das war die Maschine, die alles begonnen hat“, sagte die Japanerin. „Sie hat den Film irgendwie … aufgebrochen und möglich gemacht, dass die Leute ihr Pseudojenseits verlassen konnten.“
„Zumindest einer von ihnen“, führte Melanie den Gedanken fort. „Er hat meinen Unfall verursacht.“ Es war ein irreales Gefühl, hier zu stehen und dieses Gespräch zu haben. Sie befanden sich am anderen Ende der Welt, von Falkengrund aus gesehen. Dieser Haufen Metall sollte ihr Leben verändert haben? Ihr Kopf dachte darüber nach, aber ihr Bauch konnte es nicht nachempfinden.
Sie machte einen Schritt in das Gelände hinein. Ihr Fuß versank knöcheltief in grauer Asche, und in gewisser Hinsicht war es schlimmer als durch ein Moor zu waten. Wenn das Ungeheuer unter dem Haus sie haben wollte, brauchte es nur zuzugreifen. „Es gibt keine Dämonen“, flüsterte sie. „Es gibt Engel und Geister, aber keine Dämonen. Sie sind krude Albträume aus dem Mittelalter.“
„Wenn du meinst“, kommentierte Madoka, blieb jedoch außerhalb stehen.
Melanie hielt sich ein Taschentuch vor den Mund, als ihre Schritte einen Nebel aus federleichter Asche aufwirbelten. Alles war trocken – es musste tagelang nicht geregnet haben. Sie hatte sogar das Gefühl, eine Restwärme zu spüren. Wahrscheinlich bildete sie sich das nur ein. Jetzt konnte sie den Aufbau des Hauses erahnen. Sie war mitten durch die Wand gegangen, hatte die Küche durchschritten (Spüle und Herd waren noch da) und stand nun an einer Stelle, wo sich früher einmal der größte Raum befunden haben musste. Die Maschine lag dicht an den Überresten einer Wand, beinahe wie ein Piano in einem vornehmen Wohnzimmer.
Behutsam strich sie mit der Hand darüber.
Warum behutsam? Das Ding war kaputt, machtlos, keine Gefahr mehr für sie oder irgendjemanden. Sie entdeckte Vertiefungen, die zum Einlegen der Filme gedient haben mussten. Sie blies die Asche weg und versuchte Reste eines verkohlten Filmstreifens zu entdecken. Es gab keine. War das ein Beweis, dass der Film nicht in den Flammen vernichtet worden war? Dass ihn Dr. Andô oder die … schwarzen Schatten mitgenommen hatten? Melanie wusste nicht, ob Zelluloid rückstandslos verbrannte, doch angesichts der Temperaturen, die hier im Zentrum des Feuers geherrscht haben mussten, würde wohl nicht viel von dem Film übrig geblieben sein, selbst wenn er in der Maschine verblieben war.
Madoka wartete nachdenklich neben dem Haus. Nachbarn tauchten in den Gärten auf, beobachteten voller Neugier die rothaarige Ausländerin, die in der Ruine herumstapfte. Madoka ging auf einen älteren Mann zu und wechselte ein paar Worte mit ihm.
Als Melanie genug gesehen hatte und zu ihrer Kommilitonin zurückgekehrt war, meinte diese: „Er sagt, die Takases wurden aus dem Krankenhaus entlassen und halten sich nun bei Verwandten auf. Er hat mir die Adresse gegeben. Und er hat auch gesagt, dass es Probleme mit der Versicherung gibt – sie wird vermutlich nicht zahlen, weil die Sache zu durchsichtig ist. Außerdem hat er mir eine Beschreibung der schwarzen Schatten gegeben. Sie deckt sich mit dem, was Miura erzählt hat. Er hat sie selbst gesehen. Was immer sie sein mögen – ich fürchte, sie existieren tatsächlich.“
Melanie ging nicht auf die Schatten ein. „Wir suchen also Takase auf.“
„Wenn du nichts dagegen hast.“
„Ich habe nichts dagegen, aber mir ist noch ein anderer Gedanke gekommen. Warum besuchen wir nicht deine Mutter? Müsste sie nicht am ehesten wissen, wo sich dein Vater aufhält?“
Madokas Miene verdüsterte sich. „Meine Eltern sind seit vielen Jahren geschieden.“
„Da haben wir etwas gemeinsam“, sagte Melanie. „Trotzdem – ich glaube, mein Vater würde sich in der Not immer noch an meine Mutter wenden. Es fällt beiden furchtbar schwer, jemanden zu finden, dem sie vertrauen können. Ich weiß natürlich nicht, wie das bei deinen Eltern ist. Kennst du überhaupt die Adresse deiner Mutter?“
„Ich denke, Takase weiß am besten, wo mein Vater ist. Er ist der letzte, der ihn gesehen hat.“
Es war eindeutig eine Ausflucht, doch Melanie nickte. „Okay, dann besuchen wir den Menschen, der mein Leben aus der Bahn geworfen hat. Ich will hoffen, dass er mich mit einer höflichen japanischen
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