freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
war der mächtige Kamin an der verkohlten Außenmauer. Selbst das säuberlich aufgestapelte Feuerholz darin war unversehrt.
Auch hier waren keine Leichen zu finden, es sei denn, sie lägen unter den Trümmern des Dachstuhls. Was war hier geschehen?
Zögernd schob er das Schwert wieder in den Gürtel, trat aus dem Haus und winkte Urd und ihrem Sohn zu, bevor er ihnen mit langen Schritten entgegeneilte. Urd empfing ihn mit einem Blick, in dem weit mehr Sorge als Neugier zu lesen war, schwieg aber. Vermutlich wollte sie ihre Kinder nicht noch mehr beunruhigen, als es sowieso schon der Fall war. Er beantwortete ihren Blick mit einem knappen Kopfschütteln und einem übertrieben beruhigenden Lächeln, lud sich ohne ein Wort der Erklärung Lasse auf die Arme und bedeutete ihr ebenso wortlos, sich um ihre Tochter zu kümmern. Elenia saß mit hängenden Schultern und nach vorn gesunkenem Kopf im Schnee und schien zu schlafen, erhob sich aber gehorsam, als Urd sie nur flüchtig berührte. Als sie aufstand, versuchte er einen Blick in ihr Gesicht zu erhaschen, aber viel war davon nicht zu sehen. Urd hatte den Saum ihres Mantels abgerissen und einen Verband daraus improvisiert, der zwar seinen Zweck erfüllte, von ihrem Gesicht aber kaum mehr als den Mund und einen schmalen Streifen über den Augen frei ließ.
Erneut fiel ihm auf, wie schön diese Augen waren, und er spürte einen neuerlichen tiefen Stich. Schönheit war in dieser erbarmungslosen Welt oft das Einzige, was das Leben einer Fraumit auf den Weg geben konnte, und wenn er ihre Mutter als Vorbild nahm, dann hatte sie davon schon fast überreichlich bekommen. Aber das Schicksal war launisch und grausam, und es hatte ihr dieses Geschenk wieder genommen, noch bevor sie Nutzen daraus ziehen konnte.
Im Haus angekommen, musste er sich nur einen kurzen Moment gedulden, bis Urd und der Junge den Boden vor dem Kamin frei geräumt hatten, sodass er den Verwundeten ablegen konnte. Elenia suchte sich einen Platz irgendwo zwischen den Trümmern und sank in einen Dämmerzustand zwischen Ohnmacht und Fieber, während Urd sich neben ihrem Mann auf die Knie sinken ließ und seine heiße Stirn betastete.
»Wie geht es ihm?« Vermutlich hätte er diese Frage besser beantworten können als sie, aber er hatte plötzlich das dringende Bedürfnis, einfach nur irgendetwas zu sagen. Auch wenn es dumm klang.
»Was immer du getan hast, du hast sein Leben gerettet«, antwortete Urd sanft. »Aber ich weiß nicht, wie lange diese Hilfe noch anhält.« Sie sah ihn auf eine Art an, die eine unausgesprochene Frage enthielt, doch er schüttelte nur ebenso wortlos den Kopf. »Ich muss die gebrochene Rippe richten, bevor er innerlich verblutet. Hilfst du mir?«
»Du kannst so etwas?«, fragte er erstaunt.
»Nein«, antwortete Urd. »Wahrscheinlich bringe ich ihn damit um. Aber wenn ich es nicht tue, dann stirbt er ganz sicher.«
Er nickte, zweifelnd, aber auch von Bewunderung für den Mut dieser Frau erfüllt.
»Dann brauche ich heißes Wasser«, sagte sie. »Lif, mach ein großes Feuer im Kamin. Und schau, ob du in dem Gerümpel hier einen Topf oder irgendetwas anderes findest, worin wir Schnee schmelzen können.«
Lif machte sich gehorsam auf die Suche, und Urd stand auf. »Wir brauchen sauberen Schnee, am besten vom Hügel oben. Hilfst du mir, ihn zu holen?«
Lif überraschte sie. Auch wenn es ihm länger vorgekommen war, so waren sie doch nur für kurze Zeit wirklich draußen gewesen, um Schnee zu holen. Dennoch hatte diese Zeit dem Jungen nicht nur gereicht, ein Feuer im Kamin zu entfachen, sondern auch einen halbwegs bequemen Platz für seine Schwester zu finden und aus ihren Mänteln und allerlei anderen Dingen, die er in den Trümmern gefunden hatte, eine Lagerstatt für seinen Vater herzurichten. Über den Flammen im Kamin hing ein verbeulter Kupferkessel, bei dessen Anblick er sich unwillkürlich fragte, wie es dem Knaben gelungen war, ihn dorthin zu bringen. Sein verrußter Boden glühte im flackernden Schein der Flammen, die ihn umzüngelten, und die ersten zwei oder drei Handvoll Schnee, die sie hineinwarfen, verwandelten sich augenblicklich in zischenden Dampf.
»Das reicht nicht«, sagte Urd, noch bevor sie die Hälfte des mitgebrachten Schnees aufgebraucht hatten. »Lif, geh und hol noch mehr Schnee. Und nimm deine Schwester mit. Sie kann dir helfen.«
Nicht nur Lif sah sie verstört an. Elenia sah nicht so aus, als könne sie auch nur sich selbst helfen, geschweige denn
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