freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
ihrem Bruder, aber nach einem Moment schien er dann doch zu verstehen. Wortlos, wenn auch mit zornig funkelnden Augen, ging er zu seiner Schwester hin, ergriff sie am Arm und führte sie hinaus.
»Du hast einen sehr tapferen Sohn«, sagte er.
Urd nickte knapp, zog ihr Messer aus dem Gürtel und hielt die schmale Klinge in die Flamme, bis sie zu glühen begann. Wortlos schlug sie den Mantel ihres Mannes auseinander und rollte sein Wams und das Hemd hoch.
»Ich muss seine Brust aufschneiden«, sagte sie. »Wenn du mir nicht hilfst, dann töte ich ihn.«
Er wusste, was sie damit meinte, wich ihrem Blick aber aus und nickte nur. »Ich helfe dir«, sagte er einfach. Er war nicht sicher, ob er dieses Versprechen auch halten konnte.
Was folgte, war vielleicht das Schlimmste, was er jemals erlebt hatte, auch wenn ihm eine lautlose Stimme in seinen Gedanken zuflüsterte, dass er weitaus größere und sinnlosere Grausamkeiten mit angesehen – und begangen? – hatte, auf jeden Fall aber das Schlimmste, woran er sich erinnerte .
Urd nutzte die glühende Klinge, um das Fleisch ihres Mannes aufzuschneiden und gleichzeitig die ärgste Blutung zu stillen. Vielleicht zerstörte sie seinen Körper dabei mehr, als sie ihn heilte, doch immerhin zog sie den gezackten beinernen Splitter aus seinem Fleisch, der bisher darin gewühlt und ihm bei jeder Bewegung weitere und schlimmere Wunden zugefügt hatte.
Sie tat, was sie konnte, und auch er hielt sein Versprechen und half ihr, soweit es in seiner Macht stand. Aus der Dunkelheit in Lasse wurde Schwärze, dann ein lautlos brüllender Sog, der sich schneller und schneller drehte und seine Gedanken in den Schlund des endgültigen Vergessens ziehen wollte, aber er stemmte sich dagegen, drängte die Dunkelheit mit einer Kraft zurück, die vielleicht größer, auf jeden Fall aber entschlossener war als die des Todes.
Und am Ende gewann er diesen Kampf. Die Dunkelheit zog sich aus dem Mann zurück und wich einer tiefen Bewusstlosigkeit, und Urd sank mit einem Seufzen tiefster Erschöpfung nach vorne und wäre gestürzt, hätte er nicht rasch die Hand ausgestreckt und sie festgehalten.
Allerdings nur für einen Moment, denn sie schrak unter seiner Berührung heftig zusammen, prallte zurück und sprang dann auf, um mit schnellen Schritten aus dem Haus zu eilen. Noch in seiner Sichtweite blieb sie stehen und ging wieder in die Hocke, um zuerst ihre blutigen Hände und dann die Messerklinge im Schnee zu säubern. Was natürlich nicht der wahre Grund für ihre überstürzte Flucht aus dem Haus war.
Sie hatte Angst vor ihm, und sein Gefühl sagte ihm, dass sie nicht der erste Mensch war, der sich vor ihm gefürchtet hatte.
Er schüttelte den Gedanken ab, bevor er womöglich noch andere, schlimmere Erinnerungen weckte, und sah auf den Bewusstlosen hinab.
Lasse fieberte, und obwohl es hier am Kamin schon beinahe zu warm war, zitterte er am ganzen Leib. Aber er würde leben,nach dem, was er getan hatte. Auch wenn er selbst nicht genau sagen konnte, was es gewesen war.
Er versuchte sich damit abzulenken, dass er den Mann den er stundenlang getragen hatte, zum ersten Mal genauer ansah. Lasse hatte seine besten Jahre offensichtlich schon eine ganze Weile hinter sich und war nicht besonders groß, mindestens eine Handspanne kleiner als Urd. Früher einmal musste er ein kräftiger Mann gewesen sein, jetzt war er nur noch hager und sehnig. Seine Hände waren mit zahllosen Narben übersät, und auch auf seiner Brust, den Armen und den Schultern hatte er die Spuren alter Verbrennungen gesehen, bevor Urd einen weiteren Teil ihres Mantels geopfert und einen Verband daraus improvisiert hatte.
Angesichts des Werkzeugs und des schweren Hammers, dessen Gewicht noch immer an seinem Gürtel zerrte, vermutete er, dass der Mann Schmied war; ein Gedanke, der ihm aus irgendeinem Grund gefiel. Aber die im Schnee verstreuten Habseligkeiten, die er gesehen hatte, bewiesen ihm, dass er kein reicher Mann gewesen war. Er fragte sich, wie ein Mann wie er zu einer Frau wie Urd gekommen war.
Urd kam zurück, das Gesicht rot vom eisigen Schnee, mit dem sie sich gereinigt hatte. Sie wirkte jetzt wieder halbwegs gefasst, aber auch sehr müde.
»Danke«, sagte sie einfach, sank auf einen verkohlten Balken und schlug die Hände vors Gesicht. »Ohne deine Hilfe wäre er gestorben.« Ihre Stimme drang nur dumpf hinter ihren Händen hervor.
»Lasse ist ein starker Mann«, antwortete er unbeholfen. »Wahrscheinlich
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