Freibeuter der Liebe
aus?“
Diana schüttelte den Kopf. Sie wusste, dass der plötzliche Ruhm Versagensängste in Stella ausgelöst hatte. Der Tod ihres Vaters hatte alles noch schlimmer gemacht. Sie verstand, dass die Muse Stella nicht mehr hold war. Aber …
„Ich nicht. Aber die Anwälte.“
„Ich brauche nur ein bisschen mehr Zeit“, bat Stella.
Diana nickte. „Und die solltest du dir unbedingt nehmen. Geh mit Rick auf Schatzsuche, lass dich inspirieren.“
Stella schüttelte den Kopf. „Das ist doch verrückt.“
„Warum?“, wollte Diana wissen. „Weil du auf ihn stehst?“
„Ich stehe nicht auf ihn“, widersprach Stella eilig. Ein wenig zu eilig vielleicht. „Er ist ein alter Freund“, erklärte sie ungehalten. „Wir kennen uns schon ewig. Da ist nichts.“
Diana sah ihre Freundin an. Oh doch, da war etwas.
Wenn sie selbst seit fast einem Jahr keinen Sex gehabt hätte und die fünf Jahre davor mehr oder weniger Blümchensex, würde sie weiß Gott schnellstens etwas daran ändern. Dass Stellas Traummann zufällig gerade jetzt auftauchte, war eine Fügung des Schicksals.
„Wo ist dann das Problem?“, fragte Diana unschuldig. Sie hob beschwichtigend die Hand, als Stella protestieren wollte. „Hör zu, Rick hat recht. Schlaf drüber. Aber ich persönlich finde, du solltest fahren.“
„Aber das Buch …“, murmelte Stella in einem letzten Versuch, Diana zur Vernunft zu bringen.
Diana zuckte die Schultern. „So wie jetzt geht es jedenfalls nicht weiter, Süße.“
Als Stella zu Bett ging, war sie fest entschlossen, Rick und Diana am nächsten Morgen zum Teufel zu schicken.
Doch das war vor dem Traum.
Die ganze Nacht hatte sie von einer Meerjungfrau geträumt, die einem Piratenschiff folgte. Nein …
Sie selbst war die Meerjungfrau, und sie folgte dem Piratenschiff. Aus dem Innern des Schiffes drang hin und wieder eine einsame, volle Tenorstimme, die ein trauriges Liebeslied sang. Die Stimme war wunderschön, und die Meerjungfrau war verliebt, obwohl sie den Mann noch nie gesehen hatte. Doch sie wusste, es war ein Gefangener, und sie wusste, dass sie ihn retten musste.
Dass er der Richtige war.
Stella erwachte, noch ganz benommen von dem Traum. Er war so real gewesen, dass sie noch den Meeresschaum im Haar, die prachtvolle goldene Krone auf der Stirn spüren konnte.
Der Drang zu schreiben pulsierte durch ihre Adern. Hastig öffnete sie die Schublade ihres Nachtschranks, auf der Suche nach Stift und Papier. Sie wischte den Staub fort und begann zu schreiben. Innerhalb von zehn Minuten hatte sie ein grobes Handlungsgerüst und eine detaillierte Beschreibung von Lucinda der Meerjungfrau zu Papier gebracht.
Nachdem sie fertig war, lehnte sie sich zurück und starrte auf die Worte vor sich. Sie waren eine Offenbarung. Nicht nur, weil sie endlich etwas geschrieben hatte, das sie nicht gleich wieder wegradieren wollte, sondern weil es ein völlig neuer Ansatz war.
Keine Sekunde war Stella bisher auf die Idee gekommen, aus der weiblichen Perspektive zu schreiben. Vasco war so stark und dominant gewesen, dass er von ganz allein die Seiten beherrschte. Und sie war automatisch davon ausgegangen, dass ihr neuer Held eine ebenso starke Stimme hätte.
Die ganze Zeit hatte sie sich gequält, weil dieser neue Held sich ihr nicht offenbarte, weil sie kein Bild von ihm hatte.
Aber jetzt hatte sie Lucinda. Und Lucinda war fantastisch.
Lucinda versetzte sie in denselben Erregungszustand wie damals Vasco. Lucinda war keine Lady Mary, die darauf wartete, gerettet zu werden. Letztes Mal waren alle verrückt nach Vasco gewesen, diesmal würden sie verrückt nach Lucinda sein.
Sie spürte tief in ihrem Innern, so wie damals bei Vasco, dass Lucinda etwas ganz Besonderes war, obwohl sie damals noch zu unerfahren gewesen war, um es zu erkennen.
Diesmal erkannte sie es.
Oje, Joy würde wahrscheinlich ausflippen, wenn sie von der tolldreisten Meerjungfrau erfuhr. Stella konnte sie förmlich hören. Aber was ist mit Inigo, Stella?
Stella schnappte nach Luft, als ihr dieser Name in den Kopf schoss. Inigo. Natürlich, so hieß er. Inigo. Er musste Inigo heißen.
Es funktionierte.
Die Muse war ihr wieder hold.
Inigo würde stark und edel sein, denn eine starke Frau wie Lucinda brauchte einen ebenbürtigen Mann. Einen Mann, der ihren Zwiespalt verstand und sie nicht drängte, zwischen ihm und dem Meer zu wählen.
Warum hatte sie nicht gleich daran gedacht? Plötzlich schien alles sonnenklar. Sie schlug die Bettdecke
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