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Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom

Titel: Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse Auth
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nicht alle - Erfahrungen, die wir machen, stehen stellvertretend für etwas, das auf einer höheren Ebene existiert und Teil einer umfassenderen Wirklichkeit ist. Wenn wir unsere geistigen Möglichkeiten voll und ganz ausschöpfen könnten, wenn wir »voll bewusst« wären, würden wir stets die vollständige Bedeutung bestimmter Erfahrungen, die wir machen (vielleicht sogar machen müssen ), erkennen. So aber sind wir auf gelegentliche Geistesblitze angewiesen, auf unsere Intuition und unser gefühlsmäßiges Verstehen.
    Dies nur als gedankliches Angebot: Möglicherweise haben wir uns selbst unbewusst Sand ins Getriebe gestreut, als wir in letzter Minute die Empfänger der Spenden austauschten. Wir hatten zwar nach außen hin noch nichts versprochen, wohl aber doch bereits ein inneres Versprechen gegeben.

Verzeihen ist die größte Heilung
    Darmstadt, im Jahr 2000
     
     
     
     
    M ein Vater war Ende 60, als wir beide endlich so weit waren, dass wir uns gegenseitig verzeihen konnten. Zuvor musste es noch ein reinigendes Gewitter geben. Wir hatten uns oft mit gesenkten Hörnern gegenübergestanden, wie zwei Mufflon-Widder, die sogleich aufeinander losgehen würden, dass es nur so kracht. Aber es ist nie dazu gekommen. So etwas gab es in einer Familie wie der unseren nicht. Es durfte einfach nicht sein. Undenkbar, dass eine Tochter ihrem Vater offen Paroli bietet, vielleicht gar noch vor den anderen. Das hätte mein Vater nie zugelassen, weil es seine Position zutiefst infrage gestellt hätte - in seinen eigenen Augen noch mehr als in denen unserer Familie. Das wusste ich, und ich fürchtete eine solche Situation mehr als alles andere. Lieber räumte ich das Feld, als es dazu kommen zu lassen.
    Nachdem ich endgültig ausgezogen war, sahen wir uns über viele Jahre hinweg nur sehr selten. Und wenn, dann sprachen wir kaum miteinander. Weder Hatice noch ich verspürten das Bedürfnis, »heile Familie« zu spielen. Unsere Geschwister gaben sich alle Mühe, der Entfremdung entgegenzutreten. Seit die Eltern nun wieder in der Türkei lebten, besuchten sie Deutschland ohnehin nur noch zu
besonderen Anlässen. Vor allem Aynur und Naime bemühten sich dann, auch uns zum Kommen zu bewegen.
    Wenn wir uns, selten genug, dazu überreden ließen, waren wir hinterher umso enttäuschter. Es gelang einfach nicht, wieder miteinander warm zu werden. Wir hatten das Gefühl, dass Vater oder Mutter gar nicht daran interessiert waren, uns wieder näherzukommen. Wahrscheinlich empfanden sie es umgekehrt genauso.
    Ein einziges Mal wollte ich es noch versuchen. Ich sagte mir: Wenn beide einmal nicht mehr sein würden und Cenk seine Großeltern nie kennengelernt hätte, würdest du dir immer Vorwürfe machen. Es erschien mir passend, für das bevorstehende Familientreffen ein Video mit der Aufzeichnung einer Fernsehsendung über erfolgreiche berufliche Karrieren von Ausländern in Deutschland mitzunehmen, in der auch Hatice und ich vorkamen. Ich hoffte, ich könnte meinen Vater endlich einmal wieder stolz sehen, wenn es um seine Zwillinge ging.
    Hatice nahm uns beide in ihrem Auto mit. So saßen wir denn wieder einmal allesamt im Kreis herum, die ganze Familie. Fein säuberlich verteilt auf die zahlreichen Sofas im Wohnzimmer von Naime Abla . Acht Geschwister, samt Ehepartnern und Kindern. Vater und Mutter thronten auf dem Zentralsofa, wie es sich gehört, und nahmen die Huldigungen ihrer Nachkommenschaft entgegen.
    Erst lief alles sehr harmonisch ab. Man isst und trinkt, plaudert links und rechts, und irgendwann ergibt sich ein Gespräch, an dem alle teilnehmen. Naturgemäß übernimmt Vater dabei die Führung. Ich war gespannt, wie er es diesmal anstellen würde. Würde er das Wort an uns richten?
Würde es zu einem Gedankenaustausch, zu einer Annäherung zwischen uns kommen? Aber wie schon beim letzten Mal schien er auch jetzt überhaupt nicht daran interessiert, zu erfahren, wie es uns ging. Stattdessen ließ er ausführliche Berichte über unsere Verwandtschaft in der Türkei vom Stapel. Sprach über Cousins und Cousinen, die wir nur dem Namen nach kannten, und sonstige Anverwandte, die wir nie im Leben zu Gesicht bekommen hatten noch je bekommen würden. Aber was mussten das alles für tolle Menschen sein! So erfolgreich. So lebenstüchtig. So liebevoll zu ihren Familien. Ringsum auf allen Sofas schwiegen sie respektvoll, knackten Pistazien, tranken Tee und gaben sich Mühe, sehr interessiert zu wirken. In mir aber, da brodelte es.
    Und

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