Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom
der Landesjustizminister sein Grußwort spricht.
»Was wollen Sie denn? Läuft doch alles prima.«
»Frau Auth, ich bin mir da nicht sicher. Wir haben einen herrenlosen Koffer.«
Wie bitte? Was soll denn das - will sie mich auf den Arm nehmen?
»Wir haben … was?«
»Einen Koffer. Er steht dort hinter der Bühne. Und er ist verschlossen. Wissen Sie, wem er gehört?«
Wir haben hier 80 Mitarbeiter, und ich soll von jedem den Koffer kennen? Aber ich kann die Sache nicht einfach ignorieren. Diese Frau hat hier die Verantwortung.
»Nein, woher soll ich das wissen? Ich finde, man sollte das Ding einfach hinausbringen.«
Sie schaut mich an, als hätte ich ihr Zitronensaft eingeflößt.
»Frau Auth, wir müssen die Sache sehr, sehr ernst nehmen.«
Auf der Bühne erhalten jetzt die Organisationen Off Road Kids aus Deutschland und Toçev aus der Türkei Gelegenheit, sich und ihre Arbeit vorzustellen. Die Leute im Saal sollen genau wissen, was mit ihrem Geld getan wird.
Wir haben keine Feinde. Wer sollte uns mit einer Bombe in die Luft jagen wollen?
»Ich trage den Koffer selbst hinaus. Es wird schon keine Bombe drin sein.«
Mein gutgemeinter Vorschlag. Aber ihr Blick ist unmissverständlich: Sie hat hier das Sagen, und niemand sonst.
»Das wäre das Letzte, was ich Ihnen empfehlen würde.«
Diese Gründlichkeitsbeauftragte scheint tatsächlich zu glauben, dass unsere Mulitkulti-Veranstaltung ein lohnendes Ziel für Al Qaida wäre.
»Ich habe den Backstagebereich schon von der Security abriegeln lassen. Frau Auth, wir müssen den Besitzer des Koffers finden. Ihre Mitarbeiter befragen, einen nach dem anderen.«
»Okay, dann mal los. Bei 80 Leuten wird das aber Stunden dauern.«
Gott sei Dank! Sie will uns nicht evakuieren. Unsere Veranstaltung ist gerettet. Die Kinder werden ihr Geld bekommen.
»Wir müssen diskret vorgehen, damit keine Panik ausbricht. Ich werde mit einigen Security-Leuten Ihre Mitarbeiter reihum befragen. Haben Sie eine Liste, Frau Auth?«
Klar, die haben wir. Das hier ist schließlich mit deutscher Gründlichkeit durchorganisiert worden. Im Büro händige ich ihr die Liste aus, und sie beginnen mit der Befragung …
21:00
Die Moderatoren läuten die erste Spendenrunde ein. Von nun an kommt Geld herein, nach einem ausgetüftelten Programm mit vielen Gelegenheiten für Hunderte von Gästen, ihre Portemonnaies zu öffnen. Hinter den Kulissen aber wird fieberhaft daran gearbeitet, eine mögliche Katastrophe zu verhindern. Die Moderatoren machen einen prima Job. Sie halten die Stimmung hoch, obwohl sie wissen, was im Hintergrund läuft.
Ich habe ein gutes Gefühl. Da ist nichts, gar nichts. Irgendwie weiß ich es.
22:30
Die Show läuft auf vollen Touren. Unser Musicalstar hat den Saal zu Begeisterungsstürmen hingerissen. Genau der
richtige Moment, um den Spenden-Counter zu öffnen. Sofort bildet sich eine Schlange davor.
Noch eine Stunde, dann haben wir es geschafft.
Um 23 Uhr soll ein Überraschungsgast auftreten. Wir haben seine Zusage, 30 000 Euro zu spenden, unmittelbar nachdem er vor diesem Publikum sein touristisches Projekt präsentiert hat. Das wird die allgemeine Spendierfreude nochmals kräftig heben!
22:40
Die Frau mit dem Walkie-Talkie nimmt mich beiseite. Ihr Gesicht spricht Bände: Sie haben meine Liste abgearbeitet und wissen immer noch nicht, wem der Koffer gehört.
»Ich lasse den Koffer gerade von der Security in den Hof bringen.«
Nanu? Sie hat ihn doch vorher um keinen Preis anfassen lassen wollen! Warum nicht die Polizei rufen und sie den Job machen lassen?
Als ob sie meine Gedanken erraten hätte, fügt sie hinzu:
»Und die Polizei wird benachrichtigt.«
23:00
Die Polizei ist da, und zwar gleich mit einem halben Dutzend Mannschaftswagen. Und mit drei Spürhunden. Sie riegeln den Hof ab. Der Moderator wird gebrieft, wie er die Menge im Saal auf die Evakuierung vorzubereiten hat.
Ich zweifle nach wie vor nicht am guten Ausgang des Kofferproblems, doch für den monetären Erfolg unserer Veranstaltung ahne ich Böses. Wenn Menschen etwas davon abhält, großzügig zu sein, dann sind es Stress, Hektik und Probleme.
23:10
Der Moderator bittet um Aufmerksamkeit für die fällige Durchsage.
»Meine Damen und Herren, wir bitten um Ihr Verständnis, dass wir die Veranstaltung in diesem Moment vorübergehend unterbrechen müssen. Wir haben eine technische Störung, die das erforderlich macht. Kein Grund zur Unruhe! Bitte nehmen Sie Ihr Glas und bewegen Sie
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