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Freitags Tod

Freitags Tod

Titel: Freitags Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kuhlmeyer
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werden?«
    »Wenn ich wiederkomme, nehme ich dich mit zum Seniorenheim. Sieh es dir wenigstens an. Versprich es mir.«
    »Niemals! Mir reicht’s.« Sie wandte sich um und stolzierte ins Haus. Das Küchenfenster ging auf und entließ eine Wolke Rauch.
    »So was von Starrsinn! Mir reicht’s schon lange!« Mit fliegendem Mantel stampfte Conrad den Gartenweg zurück zu seinem Wagen, als schon wieder das Telefon klingelte. Er riss es aus der Tasche, brüllte »Böse« hinein.

3
    Irina wusste nicht, wie lange sie so dagesessen hatte. Die Zeit dehnte sich zwischen den Sonnenflecken auf dem Schreibtisch. Nachdem zwei Uniformierte ihr Fragen gestellt und ihre Personalien aufgenommen hatten, bugsierte man sie in das angrenzende Büro des stellvertretenden Geschäftsführers. Es war still, bis auf die Stimmen, die vom Flur hereindrangen. Immer mehr waren es geworden, und sie vereinten sich zu einem gleichmäßigen Geräusch wie das Rauschen der Buchenblätter vor dem halb geöffneten Fenster, die ein milder Wind bewegte. Irina war so in Gedanken, dass sie die junge Frau mit dem wilden Lockenkopf erst bemerkte, als die sich auf einem Besucherstuhl vor dem Schreibtisch niederließ.
    »Frau Glück?«
    Irina nickte mechanisch. Die Frau lächelte. Ein schönes Gesicht mit mandelförmigen Augen und hohen Jochbögen, Gesichtszüge slawischer Herkunft?, fragte Irina sich.
    »Kriminalpolizei. Morgenstern«, stellte sich die Frau vor. »Sie haben den Toten gefunden?«
    »Ja.«
    Der Name war nicht slawisch, aber was hieß das schon? Es war auch völlig gleichgültig. Sie war Polizistin. Irina spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog.
    »Können Sie erzählen, wie es dazu kam?«
    Dankbar registrierte Irina das Mitgefühl im Gesicht der Frau. Sie erzählte, langsam und stockend, nicht, weil sie die Sprache nicht beherrschte, das tat sie perfekt, sondern weil die Worte auf ihrer Zunge klebten wie Honig, nur bitterer. Als ihr Bericht den Moment erreichte, in dem sie die Tür des Büros öffnete, verstummte sie.
    Die Beamtin hob den Blick von ihrem Notizblock.
    Irina wusste, dass sie weiterreden musste, aber es fiel ihr schwer, unsagbar schwer. »Ich konnte mich nicht bewegen«, sagte sie schließlich. »Das Blut, das viele Blut.« Sie starrte auf die zierlichen Hände der jungen Beamtin, die neben dem Notizblock ruhten.
    »Haben Sie den Toten berührt?«
    Irina schüttelte den Kopf und würgte an dem Kloß in ihrer Kehle. »Ich hab den Anzug gesehen. Da wusste ich, wer es ist.«
    »So gut kannten Sie ihn?«
    »Ich habe ihn von der Reinigung geholt. Gestern. Den Anzug.«
    »Sie machen private Besorgungen für Ihren Arbeitgeber?« Die Morgenstern hob die linke Braue.
    »Ich führe den Haushalt, privat, bei den Freitags zu Hause, meine ich.«
    Jetzt war es heraus. Man würde ihr das Visum entziehen und sie nie wieder einreisen lassen. Irina ließ die kräftigen Schultern hängen.
    »Sie arbeiten schwarz.«
    Das war keine Frage, aber auch kein Vorwurf. Irina nickte und fügte sich in ihr Schicksal. Die Morgenstern holte tief Luft.
    »Wir beschäftigen uns nicht mit arbeitsrechtlichen Fragen, und es interessiert uns nicht, ob Sie Ihre Steuern zahlen. Das Einzige, was wir hier zu klären haben …« Die Morgenstern schüttelte den Kopf. »Möglicherweise werden Sie Probleme bekommen. Sie müssen uns trotzdem sagen, was Sie wissen.«
    »Ja«, sagte Irina resigniert. »Ich bin bei meiner Cousine zu Besuch, verstehen Sie. Sie hat zwei Kinder und wenig Geld. Ihr Mann ist arbeitslos, seit sie nach Deutschland gekommen sind. Ich helfe ihnen. Deshalb.«
    Die Morgenstern nickte. Sie verstand offenbar, kannte vielleicht die Motive der Menschen, die ohne Steuerkarte arbeiteten, jedenfalls hoffte Irina das. Es waren oft Leute mit schlechter Ausbildung und einem so geringen Einkommen, dass sie ihre Familien nicht ernähren konnten. Oder Bauarbeiter, die sich mit harter Arbeit ein Zubrot verdienten. Oder welche, die von den staatlichen Zuwendungen ihre Schulden nicht bezahlen konnten. Oder welche wie Irina selbst, die in ihrer Heimat nicht das Nötigste zum Leben verdienten. Irina hatte einige dieser Leute kennengelernt. Jeder hatte seine Gründe.
    »Ist Ihnen im Büro von Herrn Freitag etwas aufgefallen, was Ihnen seltsam vorkam, irgendetwas, abgesehen von dem Toten?«
    Irina dachte nach. Widerwillig richtete sie ihren Blick auf die Szene, die sie am liebsten aus ihrem Gedächtnis getilgt hätte. »Das Telefon lag auf dem Boden«, begann sie. »Ein paar

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