Fremd fischen
Komm … Rachel … nicht weinen», sagt Dex.«Das kriegen wir hin.»
Er zieht seine Jeans an und dann sein Hemd. Routiniert stopft er es in die Hose, schließt Reißverschluss und Knöpfe, als wäre dies ein ganz gewöhnlicher Morgen. Dann wirft er einen Blick auf sein Handy.«Scheiße. Zwölf Anrufe», stellt er sachlich fest. Nur seinen Augen sieht man die Verzweiflung an.
Als er angezogen ist, setzt er sich wieder auf die Bettkante und stützt die Stirn auf die Hände. Ich höre, wie er schwer durch die Nase atmet. Ein und aus. Ein und aus. Dann schaut er zu mir herüber, ganz gefasst.« Okay. Folgendes wird passieren. Rachel, sieh mich an.»
Ich gehorche und halte immer noch mein Kissen umklammert.
« Es wird alles gut gehen. Hör einfach zu», sagt er, als rede er in einem Konferenzzimmer mit einem Klienten.
« Ich höre ja zu», sage ich.
« Ich werde ihr sagen, dass ich bis gegen fünf Uhr unterwegs war und dann mit Marcus gefrühstückt hab. Damit ist alles abgedeckt.»
« Und was soll ich ihr sagen?»Lügen war nie meine Stärke.
« Sag ihr, du bist irgendwann nach Hause gegangen … Sag ihr, du weißt nicht mehr genau, ob ich noch da war, als du gingst, aber du glaubst, ich wäre noch mit Marcus dort gewesen. Sag ausdrücklich ‹du glaubst› – sei nicht allzu entschieden. Und mehr weißt du nicht, okay?»Er zeigt auf mein Telefon.«Jetzt ruf sie zurück … Ich rufe Marcus an, sobald ich gegangen bin. Verstanden?»
Ich nicke, und meine Augen füllen sich wieder mit Tränen, als er aufsteht.
« Und beruhige dich», sagt er – nicht böse, aber fest. Dann ist er an der Tür; die eine Hand liegt auf dem Türknopf, und mit der andern fährt er sich durch das dunkle Haar, das gerade lang genug ist, um wirklich sexy zu sein.
« Und wenn sie schon mit Marcus geredet hat?», frage ich, als Dex halb draußen ist. Dann sage ich, mehr zu mir selbst:«Wir sind im Arsch.»
Er dreht sich um und sieht mich von der anderen Seite der Türschwelle aus an. Einen Moment lang glaube ich, er ist wütend und wird mir jetzt sagen, ich soll mich zusammenreißen, und es geht hier nicht um Leben und Tod. Aber sein Ton ist sanft.«Rachel, wir sind nicht im Arsch. Ich habe alles im Griff. Erzähl ihr, was ich dir gesagt hab. Und … Rachel?»
« Ja?»
« Es tut mir wirklich Leid.»
« Ja», sage ich.«Mir auch.»
Reden wir miteinander – oder mit Darcy?
Sowie Dex gegangen ist, greife ich zum Telefon. Mir ist immer noch schwindlig. Ich brauche eine Weile, aber schließlich bringe ich den Mut auf, Darcy anzurufen.
Sie ist immer noch hysterisch.«Das Schwein ist letzte Nacht nicht nach Hause gekommen! Ich hoffe bloß, er liegt im Krankenhaus! … Glaubst du, er hat mich betrogen?»
Nein, will ich sagen, er war wahrscheinlich bloß mit Marcus unterwegs, aber dann überlege ich es mir anders. Wäre das nicht zu offensichtlich? Würde ich so etwas sagen, wenn ich nichts wüsste? Ich kann nicht denken. Mein Herz hämmert, mein Kopf dröhnt, und das Zimmer dreht sich ab und zu immer noch.«Ich bin sicher, er hat dich nicht betrogen.»
Sie putzt sich die Nase.« Warum bist du sicher?»
« Weil er das nicht tun würde, Darce.»Ich kann nicht fassen, wie leicht mir diese Worte über die Lippen kommen.
« Aber wo steckt er dann, verdammt? Die Bars schließen um vier oder um fünf! Und jetzt ist es halb acht!»
« Ich weiß es nicht … Aber ich bin sicher, es gibt eine logische Erklärung.»
Es gibt eine.
Sie will wissen, wann ich gegangen bin und ob er da noch dort war und mit wem zusammen – genau die Fragen, auf die Dex mich vorbereitet hat. Ich beantworte sie sorgfältig, wie er es mir gesagt hat, und schlage vor, sie soll Marcus anrufen.
« Das hab ich schon getan», sagt sie.«Und der Blödmann geht nicht an sein Handy.»
Ja! Wir haben eine Chance.
Ich höre das Anklopfsignal, und Darcy ist weg und dann wieder da und sagt mir, dass es Dex sei und dass sie mich zurückruft, sobald sie kann.
Ich stehe auf und gehe auf wackligen Beinen ins Bad. Ich schaue in den Spiegel. Meine Haut ist rot und fleckig.
Meine Augen sind mit Wimperntusche und Eyeliner verschmiert, und sie brennen, weil ich mit Kontaktlinsen geschlafen habe. Ich nehme sie rasch heraus, bevor ich würgend über der Toilette hänge. Seit dem College habe ich mich nicht mehr wegen Trinkens übergeben müssen – und auch da ist es nur einmal vorgekommen. Denn ich lerne aus meinen Fehlern. Die meisten College-Kids sagen:«Das mache ich nie
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