Fremde Gäste
daran erkennen, daß das liebenswürdige Lächeln aus seinem Gesicht verschwand. »Also los!« murmelte er und schritt wie selbstverständlich auf sie zu. Er begrüßte Claudia und schüttelte sogar Professor Maclean die Hand. Alles geschah sehr höflich und vollkommen unauffällig für einen, der die Vorgeschichte nicht kannte.
Es wurde ein recht gelungenes Fest, und es glich aufs Haar jeder anderen Hochzeitsfeier. Der Unterschied bestand nur darin, daß Bräutigam und Braut nicht auf die Hochzeitsreise gingen, sondern gerade erst davon zurückgekehrt waren. Die Gäste waren laut und lustig und paßten sich im allgemeinen besser an, als ich erwartet hatte. Unsere hiesigen Freunde neigten zwar dazu, sich in einer Ecke des Zeltes zusammenzuscharen, aber Larry, Anne und ich gingen gewissenhaft von einem zum anderen und machten alle miteinander bekannt. Begleitet von ihrem Peter tauchte Tony bald hier, bald dort auf und bezauberte alle. Miranda sah reizend aus; sie wich kaum von Joes Seite. Mit einem kleinen Seufzer dachte ich an Graham; er hätte diese Gesellschaft bestimmt genossen, aber nun schien er schon fast vergessen zu sein. David benahm sich zum Glück gesittet; anscheinend machte es ihm Spaß, seine Mutter und Miß Adams zu umsorgen. Mrs. Hepburn sah sehr gut aus und wurde von Claudia sofort anerkannt. Sie begrüßte auch Davids seltsame Freunde mit der gleichen Liebenswürdigkeit. Tantchen strahlte vor Wohlwollen. Unser Colonel fühlte sich gleichsam als Gastgeber; leutselig plauderte er mit jedermann und verbreitete allerorten Herzlichkeit und Wärme. Jeder tat das Seine, auch mein lieber Mann; er teilte seine Aufmerksamkeit zwischen Peters Mutter samt ihrem pensionierten Kapitän und Mrs. Hepburn, die einiges mit seiner Schwester gemein zu haben schien.
Die Party dauerte, wie das so geht, bis zwei Uhr morgens. Da schien es allen einzufallen, daß man nicht auf den Aufbruch des Brautpaars zu warten brauche. Statt dessen mußten wir selbst uns auf den Heimweg machen. Es war eine sehr ungezwungene Feier gewesen und gerade deshalb besonders nett, das erklärten alle. Sogar die Ansprachen waren kurz und amüsant gewesen. Dabei schoß Paul wohl den Vogel ab: Seine Rede dauerte nur drei Minuten und war obendrein durch zwei recht gute Witze gewürzt.
Arm in Arm sagten uns Peter und Tony und ihr Vater Lebewohl. Tony flüsterte mir noch zu: »Susan, ist das nicht fein, daß jetzt kein Blödian eine Blechbüchse oder ein paar alte Stiefel an unser Auto hängt? Das hier ist doch die beste Art, Hochzeit zu feiern!« Den Anblick, wie sie da zu dritt in der Eingangstür standen, gleichsam auf der Schwelle eines neuen Lebens, werde ich nie vergessen. Alistair hielt sich ein wenig im Hintergrund und wurde von Tony nach vorn gezogen. Der glückliche Peter stand dicht neben ihr, und sie selbst in ihrem schönen Brautkleid strahlte vor Freude. Netterweise schien Paul meinen gerührten Schluchzer nicht zu bemerken, als er den Wagen wendete und wir davonfuhren.
12
»Ich will nur, daß David das tut, was er gern will«, sagte Mrs. Hepburn.
Ich war freudig überrascht. Das war wirklich eine moderne Mutter!
»Das ist sehr großzügig von dir«, bemerkte Tantchen.
Wir saßen in dem Zimmer hinter dem Laden, in dem gemütlichen Raum, der schon so manche Aufregung meines Landlebens miterlebt hatte. Heute ging es nicht um meine Probleme; es handelte sich um David, darum begnügte ich mich mit leiser Zustimmung. Larry war auch zum Tee geladen; sie war forscher und unbekümmerter als ich. »Alles, was er gern will?« fragte sie. »Auch wenn es Ihnen und Dr. Hepburn merkwürdig vorkommt?«
»Mister Hepburn«, verbesserte ich schnell, und Larry entschuldigte sich. »Ich finde es so komisch, daß ein Arzt, wenn er sehr bekannt ist, seinen Titel wegläßt und nur noch mit >Mister< angeredet wird, wie jeder beliebige Mann auf der Straße.«
Mrs. Hepburn lächelte. »Das ist so ein Brauch, der eigentlich sinnlos ist. Aber es ist einfacher, von ihm als >der Doktor< zu sprechen. Ihm ist es gleich, und mir auch. Sie sagten >alles<, Mrs. Lee. Das muß ich mir erst überlegen.«
Wir sprachen dann von anderen Dingen. Nach der großartigen Party war Mrs. Hepburn noch für einige Tage dageblieben. David besuchte zu meiner Freude seine Mutter hin und wieder. Er hatte Tantchen nun schon recht gut kennengelernt. Schließlich war sie ja mit ihm verwandt und schien für den schwierigen und kapriziösen jungen Herrn Verständnis zu haben.
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