Fremde Gäste
Wir würden das gern finanzieren.«
»Ich möchte das lieber auf eigene Faust machen«, erwiderte der undankbare junge Mann.
»Es käme uns nicht so teuer wie ein Medizinstudium.«
»Stimmt, aber das hättet ihr gewollt; dieses jetzt ist mein Wunsch.«
»Mag sein. Es ist eine neue Idee, das gebe ich zu, ich glaube aber, sie gefällt mir. Jedenfalls ist es dein Leben und deine Wahl.«
»Und du wärest dann auch nicht so weit weg«, sagte die besorgte Mutter, nach meiner Meinung etwas wehleidig. »Wir könnten dich mal besuchen und deine Ponys anschauen.«
Endlich fand er ein Lächeln für sie. »Das ist prima«, sagte er zu meiner Erleichterung. Das ermutigte mich zu der Mitteilung, daß Letty eines Tages einen Teilhaber aufnehmen möchte. Sie könne so ihr Unternehmen vergrößern. Wenn sie und David gut miteinander auskämen, könne das ein neuer Anfang sein.
»Da könntest du mir Geld pumpen, Vater«, meinte der unmögliche Bengel jetzt plötzlich. »Aber nur als Darlehen und gegen Zinsen, wie es üblich ist.«
Der Vater lächelte nur. »Darüber können wir reden, wenn es soweit ist. Einstweilen wollten wir auf das Gelingen dieses neuen Planes einen Sherry trinken, David.«
Der Junge lächelte, doch dann besann er sich. Er zuckte die Schultern. »Es ist halt eine Glückssache«, meinte er. »Aber ich bedanke mich trotzdem.« Fast widerwillig kam das heraus. Warum nur muß die Jugend immer so undankbar sein? Doch gleich darauf fiel mir ein: Waren wir selbst denn wirklich dankbar gewesen? Ich mußte zugeben, daß es im Grunde immer das gleiche war. Nur ist die moderne Jugend in ihren Gefühlen so zurückhaltend. David war sicherlich dankbar, leider war er nur peinlich bemüht, das nicht zu zeigen.
Immerhin, für seine Verhältnisse benahm er sich doch ganz anständig, und für seine Eltern war das wohl recht tröstlich. In der Tiefe ihres Herzens mußten sie wohl ein wenig enttäuscht sein über diese Berufswahl ihres Sohnes, der sich nach ihrer Meinung vorzüglich für ein Medizinstudium geeignet hätte. Es überwog aber ein Gefühl der Dankbarkeit darüber, daß er sich nun für einen bestimmten Weg entschlossen hatte und nicht weiterhin planlos umherzog.
Den Gedanken an Reisen hatte er allerdings noch nicht aufgegeben. Beiläufig erzählte er: »Miß Norwood will mir ein Gehalt zahlen. Wenn ich genug zusammengespart habe und nicht gerade Fohlzeit ist, muß ich ganz schnell meine Weltreise machen, aber per Schiff und Flugzeug, nicht per Anhalter. Da seht ihr, welchen Einfluß Tiri auf mich hatte. Als ich dorthin kam, dachte ich nicht im entferntesten daran, irgendwo seßhaft zu werden, und jetzt lege ich mich auf Jahre hinaus fest mit der Arbeit mit einem Rudel Stuten, deren Kinder ich erziehen soll — das Wort >Dresseur< hasse ich. Dressieren sollte man überhaupt nie.«
»Sie können nicht behaupten, daß wir viel getan haben, um Sie zu beeinflussen«, warf ich ein, denn ich mag überhaupt nicht für die Entschlüsse junger Leute verantwortlich gemacht werden.
»Unbewußt, das nehme ich zu Ihren Gunsten an. Aber Sie haben doch einen zwar stillen, aber gefährlichen Einfluß, Susan.«
»Wieso? Ich habe kaum jemals von Ihrer Zukunft gesprochen.«
»Stimmt. Aber gerade Ihre Zurückhaltung hat diesen Einfluß bewirkt«, erwiderte er ruhig. Ich wußte nicht recht, was er meinte, und ging darum nicht weiter auf das Thema ein.
Ich hatte bemerkt, wie sein Vater etwas stutzte, als David mich so einfach mit dem Vornamen anredete; deshalb sagte ich: »Wir nennen uns alle beim Vornamen. Wir bilden eine so enge Gemeinschaft und kennen einander so gut. Die einzige Persönlichkeit, mit der wir nicht so freimütig verkehren, ist Colonel Gerard«, und ich erzählte dem Arzt von unserem Feudalherrn. Mrs. Hepburn war ihm ja begegnet und bestätigte meinen Eindruck, daß sogar ihr Sohn sich keinerlei Vertraulichkeit diesem Gentleman gegenüber erlaubte.
Später wurde beschlossen, daß David dem Colonel per Ablauf der beiden nächsten Wochen kündigen würde — »genau wie es sich für einen anständigen Arbeitnehmer gehört«, sagte der schnoddrige junge Mann, »nicht wie so ein hergelaufener Anhalter.« Dann würde er für ein Wochenende heimkommen, ehe er zu Letty fuhr.
Ich hatte festgestellt, daß während der ganzen Unterhaltung das Wiedersehen mit Tinker nicht erwähnt worden war. Womöglich verbarg sich da noch ein gewisses Ressentiment. Das mußte ein für allemal beseitigt werden, ebenso ein
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