Fremde Gäste
?«
»Muß es denn ein Studium sein? Sind
Sie überzeugt, daß Sie zum Akademiker geboren sind ?«
»Gott behüte — aber was sonst?
Auf eine Farm bin ich nicht versessen, höchstens auf den Umgang mit Pferden.
Die Schafzucht finde ich langweilig, und diese angriffslustigen Kühe kann ich
absolut nicht leiden. Wenn es mit der Landwirtschaft nichts ist, bleibt nur
noch der Handel oder ein akademischer Beruf, aber — verdammt noch mal — ich
weiß nicht, welcher. Ich weiß nur eines: Wenn ich schon büffeln muß, muß ich
bald anfangen, je eher, desto besser. Es gibt viel nachzuholen, ehe ich
nächstes Semester damit anfange. Das Dumme ist nur: Ich habe überhaupt keine
Lust dazu .«
»Dann lassen Sie’s doch. Ihre
Eltern werden das verstehen .«
Schweigen. Dann sagte er zu
meiner Überraschung: »Sie waren immer nett zu mir, Susan. Noch nie habe ich
mich bei einer älteren Person so gut aussprechen können. Ich wollte, ich könnte
Ihnen auch meinerseits mal etwas zuliebe tun. Sie haben aber leider keine
Gäule, die ich zähmen könnte, und zu etwas anderem habe ich nicht viel Geschick .«
Das war meine Chance! »Sie
könnten mir wohl einen Gefallen tun«, sagte ich. Und ich erzählte, daß ich gern
eine alte Freundin besuchen wolle. Für einen einzigen Tag sei es eine weite
Fahrt, und Paul lasse mich nicht gern allein fahren. Larry sei mit ihren
Lämmern voll beschäftigt und Tony mit ihrem neuen Haus — das stimmte alles. Es
wäre nett, wenn er mitkäme und mich am Steuer ablösen könnte. Womit Letty sich
befaßte, verschwieg ich ihm.
David schien mit Vergnügen
etwas für mich tun zu wollen. Er fragte nicht lange nach dieser Freundin. Er
hielt sie vermutlich für eine weitere Mutter mit sechs Kindern. Als er dann
feststellte, daß sie statt Kinder Ponys besaß, war er geradezu begeistert, so
wie ich ihn noch nie gesehen hatte. Letty und er verstanden einander sofort.
Mit ihren sechsunddreißig Jahren hat sie eine höchst moderne Einstellung. Weder
Davids Erscheinung, seine seltsame Kleidung, noch seine unverbindliche Art
konnten sie verblüffen. Sie wußte, daß sie meinen Plan nicht verraten sollte,
und behandelte ihn wie einen jungen Chauffeur, der Nachsicht mit der älteren
Generation übt.
»Wenn es euch nicht zu fad ist,
könnt ihr euch den Hof ansehen«, forderte sie uns nach dem Lunch auf. »Ihr
bleibt doch über Nacht hier, wie ich vorgeschlagen habe? Da habt ihr auch
genügend Zeit. Was sind freilich so ein paar Tagwerk Land für euch Schafzüchter? Aber ich möchte doch, daß ihr euch die Ponys
anschaut. Oder findet David das zu langweilig ?«
Wir versicherten das Gegenteil
und machten uns auf den Weg zu der ersten Koppel. Dort befanden sich die
trächtigen Stuten, die binnen kurzem ihre Fohlen zur Welt bringen würden. Dann
bewunderten wir den schönen lebhaften Hengst und schließlich das Gehege mit den
kleinen Fohlen, die abgerichtet werden mußten. Es gab noch eine weitere Koppel
mit den Jährlingen. Man konnte sich vorstellen, wieviel Arbeit es für Letty
gab, trotz der täglichen Hilfe durch ein junges Mädchen aus der Nachbarschaft.
Wir besuchten einen Einzelgänger, eine Stute, die Letty in der irrtümlichen
Meinung gekauft hatte, daß man noch etwas aus ihr machen könnte. »Ist sie nicht
bildschön? Aber ich kann nicht an sie herankommen. Sie hat am Kopf eine
Verletzung, das ist deutlich zu erkennen. Und nun ist sie völlig verstört, das
arme Vieh. Paßt mal auf !«
Das Pony näherte sich und
umkreiste uns mißtrauisch und vorsichtig. Letty sprach ihm begütigend zu und
hielt ihm ein Stück Brot aus ihrem Korb hin. Das Tier kam nicht näher, sondern
warf trotzig den Kopf auf und stürmte die Koppel hinab. Dann blieb es stehen,
machte kehrt und trabte wieder auf uns zu. Da ließ David seinen eigenartigen
Pfiff ertönen. Ruckartig stand die Stute still. Sie hob den Kopf und verharrte
unsicher und zitternd. Dann senkte sie wieder den Kopf und trottete davon,
jedoch langsamer als zuvor. Wieder pfiff David, und jetzt näherte sich das Pony
mit aufgestellten Ohren. Letty und ich zogen uns vorsichtig zurück. Das Pony
blieb stehen und kam dann langsam auf David zu. Ruhig und scheinbar unbeteiligt
stand er da, sprach aber mit sanfter Stimme einige Worte zu dem Pony. Das Tier
schien ihn zu verstehen. Er blieb bewegungslos, während es um ihn herumging.
Dann kam es so nahe, daß er die Hand auf seine Flanke legen konnte. Von dort
glitt seine Hand zum Nacken und strich dann wie
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