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Fremde

Fremde

Titel: Fremde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gardner R. Dozois
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präsidiert hatte. Sie glitt wie ein Eisberg durch ein Meer von leuchtend bunten Kostümen, gab hier mit einem Wort Befehle, dort mit einem Nicken oder einer knappen Geste. Ihr wurde sogleich gehorcht. Die Soúbrae blieb einen Moment stehen und starrte Farber an. Es war deutlich, daß sie ihn erkannte. Sie blähte die Nüstern, schenkte ihm einen Blick kalter Ablehnung und ging weiter. Sie schien eine Kältewelle hinter sich zu lassen in dem staubigen Hof.
    »Ich glaube, sie mag mich nicht«, sagte Farber.
    Genawen zuckte die Achseln.
    »Was heißt denn Soúbrae überhaupt?« fragte Farber.
    »Das ist ein altes Wort«, entgegnete Genawen. »Es bedeutet ›Unfruchtbare‹.«
    »So sieht sie auch aus«, meinte Farber. »Unfruchtbar wie ein Felsen.«
    Genawen grinste. »Hohoho! Sei besser vorsichtig, Farber. Einige von ihnen haben viel Macht. Sie könnte dir die Milch in den Brüsten sauer werden lassen!«
    »Da habe ich keine Sorge«, erwiderte Farber mit einem Grinsen.
    »Ah?« sagte Genawen. Dann, als er die Pointe begriff: »Oh, hohoho!«
    Farber zählte. »Wie viele Männer gehen mit dieser Prozession? Ah, zwanzig.«
    »In dieser fünfundzwanzig.«
    Farber pfiff, schnalzte dann Genawen zum Gefallen mit der Zunge, weil ein Cian nicht vor Überraschung pfiff. »Das muß aber teuer sein.« Plötzlich sah er besorgt aus. »Muß ich auch für Lirauns Prozession bezahlen?«
    »Nein, das wird nach dem Brauch die Regierung tun, die zumindest eine kleine Prozession für jede Mutter von Shasine finanziert. Natürlich, wenn du zusätzliche Leute oder teure Kostüme haben willst, dann mußt du dafür bezahlen wie ich hier. Oh, hohoho! Wenn ich mir das auch nicht mehr lange werde erlauben können, beim Zweiten Toten Ahnen, wenn Owlinia weiter so schlecht wirtschaftet.«
    Aber Farber hörte nicht hin. Irgendwo im Hinterkopf saß ein Gedanke, der um seine Aufmerksamkeit kämpfte, aber er konnte ihn irgendwie nicht erreichen. Er vergaß es.
     
    Eine Woche später traf Farber Genawen wieder in einem kleinen Park am Fuße des Drachenhügels. Genawen und eine junge Cian fuhren sechs Babys in einem kompliziert gebauten, vollen Handkarren spazieren.
    Farber begrüßte sie, und Genawen bestand darauf, eines der Kinder hochzunehmen und es begeistert dem Erdenmann unter die Nase zu halten. Das Baby begann ebenso begeistert zu schreien.
    »Oh, hohoho!« sagte Genawen. »Ein feiner Wurf, nicht wahr?«
    »Sie sehen sehr gesund aus«, meinte Farber.
    »Zu gesund«, antwortete Genawen. Er hatte sich das Baby an eine seiner prallen, glänzenden Brüste gelegt, die er nun nach dem Brauch für stillende Väter entblößt trug. »Es tut weh, wenn sie fest saugen.«
    Farber unterdrückte ein Lächeln. Einen Moment standen sie schweigend da und blickten auf die ausgebreitete Neustadt unter ihnen, während Genawen ein weiteres hartnäckiges Baby säugte. Die junge Frau hielt sich im Hintergrund.
    Schließlich bemerkte Genawen sie. Er winkte sie zu sich und legte ihr eine fleischige Hand auf die Schulter. Beide lächelten Farber an, Genawen begeistert, das Mädchen schüchtern. »Farber«, sagte Genawen, »das ist meine neue Frau.«
    Beim nächsten Mal erwischte Farber den flüchtigen Gedanken in seinem Kopf. Er wünschte sich inständig, er hätte es nicht getan.

16
     
    Früh am Morgen verließ Farber die Arbeit und machte sich auf die Suche nach einem Gebärhaus. Sie waren nicht leicht zu finden – das cianische Verständnis von Züchtigkeit diktierte, daß es schmucklose, unscheinbare Gebäude sein mußten, und es gab nicht das cianische Gegenstück eines Telefonbuches. Aber einer von Farbers Kollegen hatte seine Frau vor ein paar Tagen zu einem Gebärhaus gebracht, und wenn er sich auch strikt weigerte, die eindringlichen und unhöflichen Fragen des Erdenmenschen zu beantworten, hatte Farber ihn doch belauscht, als er seinen Freunden den Weg der Prozession beschrieb. Farber hatte so eine verschwommene Vorstellung, wo eines dieser Gebärhäuser lag.
    Er machte sich zu Fuß auf in die Neustadt, folgte dem Flußweg am belebten Aomeufer entlang. In der Altstadt gab es keine Gebärhäuser – diese Information hatte er in den letzten Tagen aufgeschnappt. Offensichtlich waren sie dort verboten. Er bezweifelte, ob es eines in diesem Bezirk geben würde; so wie er es verstanden hatte, lagen diese Häuser in ruhigen, abgelegenen Teilen der Stadt, nicht weil man sie als schändlich betrachtete, sondern weil sie als so heilig angesehen wurden, daß sie

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