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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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wohlwollenden Mienen aufseiten der Nichtklatscher bedacht. Rob klatschte ebenfalls, und im nächsten Moment fiel auch Jennifer überrascht, aber bereitwillig in den Applaus ein. Es tat gut, dass das schwule Thema, das sich in Peters Leben, stärker als in seinem eigenen, immer wieder beharrlich und provozierend in den Vordergrund gedrängt hatte, hier, unter den korinthischen Kapitellen eines berühmten Londoner Clubs, mal zur Sprache gebracht worden war. Nur aus den gequälten Gesichtern der älteren Herrschaften sprach der Wunsch, damit nicht behelligt zu werden. Dann kündigte Desmond ein Gedicht an und zog aus der Brusttasche seines gestreiften Anzugs ein gefaltetes Blatt Papier. »Oh, lächle mir nicht, wenn dein Mund zuletzt / Doch seine Schönheit einem anderen reichen muss …« Rob kannte es nicht, und er bemerkte die Unbeholfenheit des ungeübten Rezitators, doch dann hörte er das genaue Gegenteil heraus, die steile Intensität der Worte, die ein Schauspieler missbraucht hätte, um seinen eigenen Stil zu präsentieren. »Dein sei das blaue Auge und der Mund / Der bis zuletzt, und immer, mir nur lacht.« Rob sah Jennifer fragend an, und sie beugte sich zu ihm und flüsterte hinter vorgehaltener Hand: »Onkel Cecil.«
    Rob lotste Jennifer zwischen den Türmen zusammengerückter und aufeinandergestapelter Stühle hindurch zu der Menschen menge am Buffet. Jennifer machte, ziemlich laut und indiskret, einige Bemerkungen über die Redner, Rob hörte nur halb zu und schaltete unbemerkt sein Handy wieder ein. »Der Sound war wirklich das Letzte«, sagte sie. »Der junge Mann war hoffnungslos überfordert!«
    »Ja …«
    »Man sollte meinen, solche Probleme wären irgendwann mal grundsätzlich geklärt.« Rob sah, dass er eine Nachricht von Gareth hatte. »Diesen Schotten fand ich extrem langweilig, Sie auch?«
    7 Uhr Style Bar – kann’s kaum erwarten! XxG
    »Ja, der war ziemlich …«, sagte Rob, für einen Moment abgelenkt, beschämt und verwirrt, steckte dann das Handy ein und sah sich um. Der Blonde hatte sich zu den Lederkerlen gestellt. Dennoch wollte Rob die Vorstellung, ihn abzuschleppen, ausgelöst durch ein gegenseitiges durchtriebenes Anlächeln, trotz der Erinnerungs- SMS an die bevorstehende Verabredung mit einem anderen, nicht aufgeben.
    Auf dem Tisch standen reihenweise weiße Tassen und Untertassen für Tee und Kaffee, doch Jennifer rief: »Ich hole mir einen Drink«, und Rob, der sonst tagsüber keinen Alkohol trank, sagte: »Gut, ich komme mit.« Fest entschlossen, an ihrem freien Tag voll auf ihre Kosten zu kommen, griff sie sich ein Glas Rotwein, und als sie die schon fast bis auf die kressebestreuten Zierdeckchen heruntergegessenen Sandwich platten entdeckte, drängelte sie sich zwischen die anstehenden Gäste und packte sich einen Teller voll mit Würstchen und Schokostäbchen. Vielleicht waren ja die Verhältnisse am St Hilda’s College so spartanisch, dachte Rob, dass eine Fahrt nach London … Gekonnt hielt sie Glas und Teller in einer Hand und aß geschwind, beinahe gierig. Wie ihre Gefühlswelt wohl aussah, fragte er sich, jedenfalls stand sie nicht auf Frauen. Eine flatternde sexuelle Energie umgab sie, gut versteckt unter ihrem zerknitterten Samthütchen. Gemeinsam zogen sie weiter, schauten sich beide um, als wären sie bereit, sich jederzeit vom anderen loszusagen. Er hatte den Eindruck, dass sie ihn mochte, ohne sich für ihn zu interessieren – es war eine bewusst vorübergehende Sache, daher umso unbeschwerter. »Sie wollten mir doch noch erzählen …!«, fing er an, und sie antwortete: »Was? Ach so, ja … Also, Paul Bryant, bevor er eine große Nummer in der Literaturszene wurde, war er ein kleiner Bankangestellter …« Rob sah sich wieder um. »Oh, eigentlich …«, sagte er und berührte sie am Arm. Die Sprecher und Redner hatten sich trotz ihres unklaren Status als Trauernde und gleichzeitig Mitwirkende der Feier selbstverständlich unter die übrigen Gäste gemischt. Bryant, der auf das Buffet zusteuerte, war jetzt unmittelbar neben ihnen und redete auf eine groß gewachsene Frau und einen hübschen jungen Chinesen mit Brille und Krawattennadel ein. »Ja, ich weiß!«, sagte er. »Das ist ein glatter Skandal! Die ganze Sache!« Er hatte etwas Tuntiges und Aufgeblasenes, war nach seiner Rede noch immer ganz in seinem Element und betrachtete sich als Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit, wie Rob bemerkte. »Ich brauche einen Drink!«, sagte er, hörte sich an wie

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