Fremdes Licht
getötet.«
»Und wenn der Jelite angreift? Du würdest dich nicht
verteidigen?«
»Natürlich würde ich mich verteidigen. Sicher. Aber
die Geds…«
»Es liegt nicht an den Geds. Die Jeliten sind
Feiglinge.«
»Unsinn. Die Geds regieren nun mal die Stadt.«
»Eine Stadt, das ist alles«, versetzte Kelovar
verächtlich. Die Angst unter der Verachtung krallte sich mit
Fingernägeln in SaSas Leib; Angst, egal unter welchem Tebel sie
sich versteckte, SaSa konnte sie hören – und bekam sie zu
spüren.
»Da!« sagte die andere Stimme plötzlich, und die
Sehne einer Armbrust schnurrte. Dann der spitze Schrei eines Tieres,
der jählings abbrach. »Getroffen.«
»Guter Schuß.«
»Schera macht einen guten Eintopf. Du bist
eingeladen.«
Kelovar schien zu überlegen, dann sagte er: »Verkaufst
du mir eine Schüssel voll?«
»Warum das?«
»Zwei Habrin.«
»Abgemacht. Du hast eine Frau, und die willst du
verwöhnen, damit sie ja sagt, hab ich recht?«
»Nein«, sagte Kelovar. »Doch, ja.«
Der andere lachte. SaSa machte die Augen wieder auf. Die Schemen
bewegten sich fort von ihrem Versteck, dann blieben sie wie
angewurzelt stehen.
» Verdammter Mist…«
»Laß die Finger von der Armbrust«, zischelte
Kelovar. »Laß die Finger davon, und er läßt uns
in Ruhe. Er jagt bloß.«
SaSa beugte sich vor, um besser sehen zu können. Der
Hüter ihrer Stille brach aus dem Dickicht. Der Delysier tastete
nach dem Messer, doch Kelovar packte sein Handgelenk. »Laß
ihn zufrieden, hab ich gesagt. Er hat zwei Jeliten getötet. Zwei.«
Der Riese stürmte an den beiden vorbei auf den blassen Felsen
zu. Die Delysier verdrückten sich zwischen den Bäumen. Ohne
sie eines Blickes zu würdigen, bückte sich der Barbar und
riß den rot blühenden Strauch mitsamt Wurzelwerk aus dem
Boden.
SaSa hatte wieder die Augen geschlossen, hatte wieder die Krallen
dieser Angst zu spüren bekommen, die in der Stimme dieses
Kelovar mitgeschwungen hatte. Als sie die Augen wieder aufmachte,
blickte sie in das Gesicht ihres riesigen Gefährten, der
ängstlich zu ihr aufschielte. Sie lächelte, und sofort
entkrampfte sich der wuchtige Körper, und das Gesicht
lächelte zurück. Der Barbar hob sie beinahe zärtlich
über den entwurzelten Strauch.
Doch kaum hatte er sie auf die Füße gestellt, da
erstarrte er mitten in der Bewegung. Sein Gesicht eine Maske der
Bestürzung, die rötlichen Augen weit und blicklos, kippte
er langsam um.
SaSa schrie auf. Er fiel und fiel und fiel – ein
zerbröckelnder weißer Berg, der den entwurzelten Busch
unter sich begrub. Er bleckte die großen gelben Zähne, und
seine Mundwinkel schäumten rosarot. Einen schrecklichen
Augenblick lang lag er so da, alle viere von sich gespreizt, und dann
drosch er mit Armen und Beinen um sich und wurde von
fürchterlichen Krämpfen geschüttelt, Äste
peitschten ihm ins Gesicht, zerbrachen. SaSa warf sich über
seine Brust; er bäumte sich auf und warf sie ab, und sie
purzelte wie eine Puppe auf den Waldboden.
Sie raffte sich auf, krabbelte zu ihm zurück, klammerte sich
mit der Kraft des schieren Entsetzens an ihren Gefährten,
schlang Arme und Beine um seine Brust. Ihr loses Haar färbte
sich mit dem Blut, das aus seinem Mund schäumte. Doch sie konnte
ihn nicht festhalten; er warf sie ab, krümmte und wand sich und
schlug um sich… bis der Anfall so plötzlich vorüber
war, wie er begonnen hatte.
Er lag ganz still da. Dann wich der stiere Blick einem Blinzeln.
Ächzend wälzte er sich auf die Seite, setzte sich
schwerfällig auf und streckte die Arme aus. SaSa krabbelte
sofort hinein, und er hätschelte und herzte sie, als ob sie es
wäre, die diesen fürchterlichen Anfall erlitten hätte.
Aber er brummte keine tröstenden Worte, summte kein Liedchen,
und es war diese Stille – heilsam und beschirmend –, die
SaSa schließlich aus dem Dunkel des Entsetzens
zurückholte, in das er sie gestürzt hatte.
Sie bog sich ein wenig zurück und fuhr ihm mit den Fingern
übers Gesicht. Rings um die weißen, rötlich
gemaserten Augen stand noch der Schmerz, die Pupillen waren immer
noch ungewöhnlich groß.
Schließlich löste sie sich aus seinen Armen, stemmte
die Füße in den Boden und zerrte ihn auf die
Füße, mehr eine hilfreiche Geste als ein Kraftakt. Er
stand da, schwankte ein bißchen, sah benommen drein.
Eine übergroße Zärtlichkeit überschwemmte
SaSa: ein wunderbares Gefühl mit einer Prise Grausamkeit.
Dasselbe hatte sie im Innenhof der Unterrichtshalle
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